01.08.13 Seemannsgarn (1)

Gerade erst haben wir über die Rattenplage am Bohlwerk berichtet. Wie so oft im Leben schärft eine Beobachtung die Aufmerksamkeit und sogleich kommen neue Eindrücke zum selben Thema hinzu. Man kann es auch das Gesetz der Serie nennen.
Gestern morgen am Bohlwerk. Eine Familie nähert sich der Wachhütte. Vater, Mutter und halbwüchsige Tochter. Es ist nicht schwer, sie als Touristen zu erkennen: Der Vater hat eine Kamera mit großem Objektiv. "Familie auf der Suche nach maritimen Motiven". In der Tat, kaum kommen sie zur Wachhütte, schon lehnen sie sich über das Geländer, gucken aufmerksam und "Da ist eine!" Die Kamera ruckt hoch. Ein Blitz, getroffen. Das Bild ist im Kasten. Da scheint man doch zielstrebig gekommen zu sein, um Bilder von den putzigen Nagern zu schießen. Sie sind also doch schutzbedürftig, als Förderungsmaßnahme für den Fremdenverkehr. Der Chef des Fjord-Tourismus muss gehen, sie bleiben uns wenigstens erhalten.
Nachmittags bei Gitta und Adi bei Kaffee und Kuchen. Wir reden über dies und das, auch über das Erlebnis gestern. Adi erzählt eine Geschichte aus Los Angeles vor rund fünfzig Jahren, als Frachter noch aussahen wie richtige Schiffe. Er war auf dem Stückgutfrachter WÜRTTEMBERG, und in der Stadt herrschte eine heillose Rattenplage. Unter anderem auch wegen der Kornspeicher, die den Tieren ausreichend Nahrung boten. Das Problem war mit normalen Mitteln nicht mehr zu beherrschen. Bis man eine ungewöhnliche, aber wirkungsvolle Methode fand. Sie war wirtschaftlicher als alle Alternativen und wirkte sehr schnell. Die Stadtverwaltung ließ ein paar Ratten fangen. Die wurden mit einer besonderen Farbe markiert, aber so, dass es nicht sogleich zu erkennen war. Bald hingen in der Stadt Plakate aus und es wurde auch in Radio und Fernsehen verkündet. Jeder, der eine markierte Ratte ablieferte, sollte eine Million Dollar bekommen. Damals war der Dollar - wenn die Erinnerung nicht trügt - 4,20 DM wert. Das Ergebnis: Die Ratten waren schnell dezimiert, denn vergleichbar dem Goldrausch, stürzen sich viele Glücksritter auf die Ratten.
Adi Born
Und Feuerwaffen hatten schon damals in Amerika fast jede Familie.
Wie so oft muss man seufzend eingestehen: Amerika, du hast es besser. Wenn nur das mit den Schusswaffen dort und dem Tierschutz hier nicht wäre. Jedenfalls hatte die Initiative schon einen gewissen Pfiff.
Bald waren Kaffee, Kuchen und Geschichten zu Ende. Adi gab noch einige andere Geschichten zum Besten. Davon später mehr.
Wer Adi nicht kennt: Adi Born, Ehrenmitglied im Verein Museumshafen Flensburg e.V. ist jahrelang zur See gefahren, auf Frachtseglern und Motorschiffen. Vor dem Mast und als Offizier. Heute ist er in Flensburg und darüber hinaus bekannt als begnadeter Modellbauer, vornehmlich von historischen Kleinseglern der Nord- und Ostsee. Frühere Berichte über seine Arbeit in den Hafenmeldungen betreffen den Bau des Ewers MARIE HF31.