Kurz vor der Rumregatta und das Wetter wird nicht besser. Selbst der Meterologe im Radio spricht von "verspätetem Winterwetter". Kurze Sonnenmomente wechseln mit Schnee- und Graupelschauern. Kräftige Böen machen das Hafenwasser unruhig. Dabei muss die Lackierung dringend aufgebessert werden. Zum Glück ist die Kosmetik auf der Leeseite am dringendsten und so geht zumindest das Schleifen zügig voran.
Auf dem Bohlwerk sind immer Passanten unterwegs. Heute mischen sich in die Liebhaber vom Bens Fischbrötchen ("Die letzten vor der Grenze") mit anderen Besuchern, die am Fortschritt der Krahnbaustelle interessiert sind.
Immer wieder bleiben Einzelne oder Paare stehen und sehen den gymnastischen Übungen zu, die das arbeiten auf einem leichten Schlauchboot bei kabbeligem Wasser erfordert. Im Weggehen stellen sie mit einer gewissen Genugtuung fest "Viel Arbeit", so, als wäre es eine üble Krankheit. Aussichtslos, etwas darauf zu sagen. Etwa, dass sich ein schöner Garten auch nicht von alleine pflegt.
Nicht so ein Besucher, der heute stehenbleibt. Er schaut lange ruhig, geht einen halben Schritt zurück, um ein Detail genauer betrachten zu können. Schließlich fragt er in leicht gebrochenem Deutsch, ob ich der Eigner sei, und ob ich wisse, wo das Schiff gebaut wurde. "In Norwegen". prompt kommt die Antwort "Ja, ich weiss. In Hardanger. Das Schiff habe ich gebaut." Uff! Jahrelang haben wir vergeblich versucht, ein paar Informationen über die Geschichte unserer
WIEBKE BOHLEN zu bekommen. Das Ergebnis war ziemlich dürftig. Nun steht jemand da, der alles weiss, was wir wissen wollen. Ja, das Boot ist nach einem Riss von Colin Archer aus dem Jahr 1902 gebaut worden, sagt er und bestätigt, was wir gehört haben. Aber, sagt er, mit Modifikationen, weil unser Boot eine schwerere Maschine installiert bekam als das Original damals hatte. Und es sei eine Planke höher gebaut worden. Die Pläne gäbe es noch in Oslo.
Er selber hat ein Boot nach demselben Riss, das sei immer noch in Norwegen. Unseres habe sich ein
Kaufmann bauen lassen. Der sei auf der Jungfernfahrt mit seiner Frau nach Kopenhagen gefahren. Aber sie sei so seekrank geworden, dass sie sich geweigert habe, mit ihm zurück zu segeln. Da habe er ein großes Motorboot gekauft, um sie zu schonen. Schließlich sei das Boot, das wir seit 20 Jahren segeln, nach Dänemark verkauft worden.
|
Der "Salon". |
Da haben wir es damals aufgetrieben. Jetzt sitzt er im "Salon" auf dem Lederpolstern und sieht die kassetierten Schottwände an. "Die hat ein Tischler gebaut, der war ein wirklicher Künstler". Das kann man wohl sagen, sind doch alle Kassetten den Rundungen des Decks harmonisch angepasst. "Aber als der zu alt wurde, hat er aufgehört. Da konnten wir sowas nicht mehr anbieten". Wir reden über die Art, wie die Planken befestigt sind "Mit Edelstahlschrauben, das wollte ein Kunde so haben. Der handelte damit. Danach sind wir dabei geblieben". Ja, seine Bilge sei auch staubtrocken. Man müsse Holzschiffe sowieso immer trocken halten. Dann habe man lange Freude daran. Stimmt, deshalb lassen wir bei dem nassen Wetter die Bordheizung an und lassen immer wieder frische Luft ins Boot.
Leider muss unser Besucher bald weiter, die Fähre nach Norwegen wartet nicht. Beim Weggehen sagt er "bis demnächst". Fein, dann erfahren wir noch mehr über unser Boot, das wir eigentlich schon so gut kennen.
Mittlerweile haben sich die Regenschauern verzogen; ein schwacher Westwind hat die Böen abgelöst. Die Passanten sind weitergegangen.