Das Besanstagsegel setzen wir gerne bei leichtem Raumschot-Wind. Bei halbem Wind auch gerne gemeinsam mit dem Code-Zero, aber immer zusammen mit dem Topp-Segel. So kommen wir bei Wind unter drei Beaufort auf etwa 140 qm am Wind oder sieben qm/Tonne Verdrängung. Raumschots können uns die Leichtwind-Segel leider nicht helfen - sie fallen immer wieder ein und sind dann ohne Wirkung.
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Backstags segelnd bei Schwachwind mit
großem Klüver, Fock, Topsegel, Großsegel
Besanstagsegel und Besan |
Die letzten drei Segeltage boten wieder ein Wetter wie aus dem Katalog für Luxusangebote. Auf Ostkurs zum Ankerplatz bei Westwind und vier bis fünf Beaufort, am Ankerplatz schwacher Wind und zurück auf Westkurs bei Wind aus Ost um fünf. Dazu ein paar Böen als Zugabe damit es nicht eintönig wird. Wind aus der Richtung schräg achtern ist ideal für Gaffelsegler. Aber mit welcher Segelführung wenn der Wind backstags weht?
Unsere Gaffelketsch WIEBKE BOHLEN hat keine losen Backstagen. Das ist sehr bequem bei Wenden und Halsen, zumal wir meist zu zweit sind. Diese Erleichterung bringt aber auch mit sich, dass der Großbaum nicht weiter als etwa 60 Grad von der Mittschiffslinie ausgefahren werden kann. Exakt vor dem Wind zu segeln fordert sehr schnelle Reaktion an der Pinne, wenn das Boot vor dem Wind giert. Das kann man mal eine Weile so machen, wenn es nicht zu vermeiden ist. Aber meistens kreuzen wir stattdessen vor dem Wind und halsen, um den Kurs zu ändern.
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WIEBKE BOHLEN mit "großem" Klüver und Fock am Wind.
Leider zeigt sie kein Foto bei raumem Wind segelnd.
Foto: Achim Staugaard |
Kreuzend bleiben die Segel sicher auf ihrer Seite. Winddreher können durch Anluven oder Abfallen leicht ausgesegelt werden und einen Bullenstander benötigen wir dann auch nicht
¹). Wir haben Windfähnchen am Achterliek der Gaffelsegel. Sie zeigen auch beim Kreuzen vor dem Wind ob die Strömung am Segel gut ist. Wenn die schmalen leichten Bändchen beginnen querab zu flattern, sind die Schoten zu dicht gestellt. In den Vorsegeln helfen Windfäden beim Vorliek. Die kann der Rudergänger jedoch nicht gut sehen. Stattdessen achtet er auf die Schoten. Sobald sie etwas lose kommen, fallen wir ab, bis sie wieder steif stehen. Oder wir holen die Schot etwas dichter und bleiben auf Kurs. Generell ziehen die Segel besser, wenn sie raumschots "offen" gefahren werden, d.h. nicht zu dicht geschotet sind.
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Am Wind mit Arbeitsklüver und Baumfock
Foto: Arved Fuchs |
Nimmt der Wind zu, will das Boot anluven. Wird zum Ausgleich das Ruder stärker gelegt, benötigen wir entsprechend viel mehr Kraft an der Pinne. Gleichzeitig wächst der Strömungswiderstand und wir werden langsamer als unvermeidbar. Wenn die größte wirksame Segelfläche vor dem Großmast gesetzt ist, lässt die Neigung zum Anluven nach. Das können wir erreichen, indem wir erstens auf den Besan und/oder auf das Toppsegel verzichten, das Großsegel mit Reff fahren und möglichst große Vorsegel setzen.
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Noch im geschützten Hafen. In der Inneren Förde erwarteen
wir böigen achterlichen Wind (6 Bft). Da wir auf dem Weg
zurück kreuzen müssen, haben wir den Arbeitsklüver
gesetzt.
Foto: Hark Hoyer |
Das ist bei uns der große Klüver mit 30 qm (ab drei Beaufort) oder der Code Zero mit 40 qm, wenn der Wind noch schwächer weht. Der große Klüver ist aus schwerem Tuch (480 g/qm) genäht, weil wir ihn je nach Seegang und Wellen auch mal bis sieben Beaufort stehen lassen. Besucher fragen immer wieder nach der Segelführung unter wechselnden Bedingungen. Manche hoffen auf eine Tabelle, in der sie für jede Windstärke und Wellenhöhe die passende Empfehlung ablesen können. Offen gestanden hätten wir sowas anfangs auch gerne gehabt. Bislang haben wir jedesmal abgewogen, welche Segel wir setzen. Denn zu guter Letzt kommen ja auch noch andere wichtige Fragen hinzu. Beispiele: Wie bekommen wir die Segel wieder runter, wenn der Wind zunimmt? oder beim Segeln in der Nacht: Wird ein Segelwechsel in der Dunkelheit notwendig?
Backstags segeln wir mit dem großen Klüver aber ohne Fock. In der Abdeckung des Großsegels ist ihre Wirkung gering bis null. Außerdem bekommt der große Klüver im Abwind eine mehr oder minder großen Beule
ins Profil.
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Großer Klüver und Baumfock ergänzen sich am Wind.
Bei raumem Wind steht die Fock aber nicht so gut.
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Weht der Wind stärker als fünf Beaufort kommt der Arbeitsklüver (18 qm) ran. Dann kann auch die Fock (20 qm) mithelfen. Sie zieht aber besser, wenn ihr Holepunkt weiter mittschiffs ist als am Wind. Nimmt der Wind noch mehr zu, fällt der Besan, dann kommen Reffs ins Groß. Über sieben Beaufort haben wir den Sturmklüver gesetzt. Zuerst mit gereffter Fock und gerefftem Groß, dann wird das Großsegel komplett weggenommen. Bei Wind über acht bis neun waren wir glücklicherweise immer irgendwo in Sicherheit, entweder im Hafen oder an einem sicheren Ankerplatz. Allgemeine Empfehlungen können wir mangels eigener Erfahrung für diesen Fall also nicht geben. Außer der: immer den Seewetterbericht aktuell und aufmerksam verfolgen und zusätzlich eigene Überlegungen anstellen. Die offiziellen Angaben beziehen sich auf die offene See, in Küstennähe kann alles ganz anders aussehen, besonders wenn die Ufer steil und die Berge hoch sind.
Diese Erfahrungen stammen aus zwanzig Jahren Segeln auf unseren Boot. Jetzt versuchen wir das Segeln bei Starkwind oder Sturm zu vermeiden, besonders wenn das Revier eng und die Zahl der Boote ringsum groß ist. Das überlassen wir gerne Jüngeren, wenn auch mit ein bisschen Wehmut.
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¹) Bobby Schenk, der viel gefahrene und sehr erfahrene Segler empfiehlt dagegen, den Bullenstander
immer zu setzen, also auch beim Segeln am Wind. Das ist sicherlich ein guter Rat, wenn zwischen den Wenden oder Halsen länger auf einem Kurs gesegelt wird, als meistens hierzulande möglich. Und ein bisschen Konzentration muss die Crew nämlich schon mitbringen. Sonst sollte man vielleicht besser auf die Segel ganz verzichten.