31.05.19 Lüttfischer unter sich

Traditionell messen die "Lüttfischer", also die traditionellen Jollen der Fischer am Freitag nach Himmelfahrt  im Flensburger Hafen ihre Segelkünste. So auch heute. 


An diesem Morgen ist der Hafen noch leer, weil die meisten Teilnehmer der Rum-Regatta um diese Zeit gerade erst in der Sonderburger Bucht die Startlinie der Flensburg-Fjord-Regatta überqueren. Sie werden erst nachmittags ankommen. Dann wird auch der Gaffelmarkt auf der Schiffbrücke viele Gäste angezogen haben aber jetzt ordnen die Aussteller noch ihre Stände. Die Jollensegler bereiten währenddessen schon ihre Boote für die kommenden Ausscheidungsrunden der Lüttfischerregatta vor.

Aufgerollte Segel werden auf die schwankenden Boote gereicht, andere Boote werden erst noch gelenzt. In den Stunden zuvor ist kräftiger Regen niedergegangen. Der  hat sich langsam ausgtröpfelt, ist grauem Dunst gewichen. Jetzt werden die Boote mit Ösfässern gelenzt, die leeren ihren Inhalt platschend in den Hafen.
Auf dem Jollensteg ist nordisches Stimmengewirr zu hören, deutsch, dänisch, norwegisch und polnische Laute und Worte sind zu hören. Diese internationale Ausrichtung rund um das "Mare Balticum" ist schon seit langem Kennzeichen der kleinen Schwester der traditionellen Rumregatta. Hier gibt es auch historische Nachbauten zu sehen. Wie beispielsweise ERIK STEUERMANN aus Haithabu. Und man muss sonst schon weit reisen um ein Nordlandboot segelnd zu sehen, oder eine Frederiksundjolle. Die heisst MARCUS NOER und kommt kurioserweise aus dem dem Wikinghafen in Roskilde, wohin gestern WIEBKE BOHLEN aus dem Museumshafen abgereist ist. Das Nordlandboot mit seinen charakteristischen steilen Steven in die besonders dünne Planken münden fällt auf. Leichtbau aus der Wikingertradition so zu sagen. Heute ist es vermutlich schwierig dafür auch nur geeignetes Holz zu bekommen. Ein Wikingerboot ist auch mit von der Partie. Nicht einfach bei einem kleinen Teilnehmerfeld mit vielen unterschiedlichen Bootstypen für gerechte Bewertug der Ergebnisse zu sorgen. Heute starten sie also in zwei Klassen: Sjekten und andere Boote. Aber wie sagt man heutzutage? "Alles gut!"

Bei der Skipperbesprechung kommt ein  wenig Verwirrung auf - es fehlen die gedruckten Segelanweisungen. Aber der Kurs der Regatta ist auch ohne diese leicht zu verstehen: Zwei Bojen in Norden und eine in der Hafenspitze sind zu runden. Als Antrieb dürfen Segel und Riemen (von Binnenländern gerne auch "Ruder" genannt) eingesetzt werden, Motoren selbstverständlich nicht. Unterm Historischen Krahn gibt es dann eine  Geschicklichkeitsübung. Die passt zu den ehemaligen Fischerbooten: Es sollen Flaschen aus dem Wasser gefischt werden.

Und dann geht es auf die Bahn. Zwischen den hohen Gebäuden am Ufer trifft der schwache Wind ungleichmäßig auf das Wasser. Wer zur rechten Zeit dort ist, wo die Briese die blanke Oberfläche grau färbt, kommt gut voran, andere haben das Nachsehen. So sieht man wie die leichten Jollen in dichtem Abstand voneinander unterschiedlich beschleunigen und dabei Bogen und Schlenker in den drehenden Winden fahren.

So sehen Sieger aus: Sven mit PINI schnellster der Sjekten
Alle kommen über die Ziellinie, wer hätte auch Anderes gedacht? Als wenn es keine
Computer gäbe werden die Zeiten  von Hand erfasst und aufgezeichnet. Schön, dass sowas noch möglich ist. Die Wanderpreise zeichnen unterschiedliche Leistungen aus. Die weiteste Anreise (aus England!) und andere überwundene Hürden werden dabei gewürdigt. Wer es nicht segelnd über die Linie geschafft hat, bekommt eine Pinne, wer zu langsam war erhält eine Schiffschraube an einer Handkurbel und wer nicht genügend bemannte Riemen hat, bekommt einen als Preis. Sven, Bootsführer der PINI, eine X-Kogg aus Norwegen, bekommt als schnellster bei den Sjekten den Bowlerhut verliehen. Sein Name wird auf einer Plakette zu lesen sein. Und aufgeweitet wird ihm der Hut dann sogar passen. Nebenbei - Sven ist neu bei den Lüttfischern und PINI ebenso. Willkommen am Bohlwerk!
Am Ende sind wohl alle zufrieden, auch die Zuschauer auf dem Bohlwerk.

Und hier noch ein paar Bilder für alle die nicht dabei sein konnten:


Hochbetrieb ...
... vor dem Start
MARCUS NOER bekommt noch etwas Ballast
ERIC STEUERMANN ist schon ein Stück weiter

KJAERINGA vor EKA II
EKA II, KNIPDUL, OLLE JAN
und MARCUS NOER











30.05.19 Alles hat seine Zeit

Stühlerücken am Bohlwerk. Nach fast 20 Jahren hat WIEBKE BOHLEN, die Colin Archer Kreuzeryacht aus dem Museumshafen, Flensburg verlassen


Eine Hafenrunde vor dem Anlegen ließen sich die Eigner selten nehmen.
So wird WIEBKE BOHlen  manchen Freuden des Bohlwerks in Erinnerung bleiben.
Das Video hat Jo Staugaard aufgenommen - Danke!


Lange war der Spitzgatter am Bohlwerk ein Anziehungspunkt für Liebhaber klassischer Fahrtenyachten. Manche Junge oder jung Gebliebene machten auf ihrer Reise von Nord oder Süd am Museumshafen Station, um das Boot zu sehen. So auch eine Besucherin aus dem Rheinland "Ich muss hier immer wieder mal vorbeikommen und sie angucken, sie ist so schön!" 

WIEBKE BOHLEN vor 22 Jahren ...

... beim Umbau ...
... und vor ihrem Abschied von Flensburg
Das Boot wurde 1987 von der seinerzeit in Norwegen hoch angesehenen Werft von Christian Djupevaag in Torvigbygd am Hardangerfjord als Baunummer 72 mit dem Namen MARGRETHE zu Wasser gelassen. Ihre Konstruktion gründet auf dem Entwurf der Colin Archer Yacht MARIE aus dem Jahr 1899. WIEBKE BOHLEN wurde jedoch zusätzlich in der Art der letzten Colin Archer Rednigsskjoiten als Motorsegler mit einem Ruderhaus vor dem Besanmast ausgestattet. Bauherr war ein norwegischer Kaufmann, der eine repräsentative und seetüchtige Yacht für seine Frau und sich selber suchte. Es gab sogar einen separaten Schrank für sein Sakko und den Sherry nebst Gläsern. Die Freude war aber nur kurz. Dazu gibt es diese kuriose Geschichte: Die erste größere Reise sollte von Bergen nach Kopenhagen führen. Aber die Eignerin soll so seekrank geworden sein, dass sie sich weigerte, mit dem Boot auch wieder zurück zu fahren. So kaufte er ihr für die Rückreise ein Motorboot. Wie das auf die Seekrankheit wirkte, ist nicht überliefert. 
Unterwegs im Skagerak
MARGRETHE wurde verkauft und fuhr unter dänischer Flagge, bis sie verwahrlost in einem Hafen auf Grund ging. Ihre hervorragende Bauqualität überstand das Desaster und bot ideale Voraussetzung für die Wiederherstellung. Einen Rumpf wie den ihren mit nahtlos gehobelten Planken und einen Innenausbau mit Eichentäfelung und Lederpolstern sucht man auch heute noch bei vielen Klassischen Yachten vergebens. 

Von Ebbe Andersens Werft in Marstal und von uns als ihren neuen Eignern zur reinen Segeljacht nach traditionellem Konzept umgebaut, kam sie 1999 in den Museumshafen Flensburg. Wir segelten oft nach Dänemark, Schweden und Norwegen und verbrachten teils mehrere Monate an Bord. Lagen vor Anker in Buchten oder in Häfen interessanter Städte entlang der Küste. 

Aber alles hat seine Zeit. Alter und Gesundheit forderten letztlich ihren Tribut. So ging es oft nur mal so eben auf die Flensburger Förde. Wie vorher auch, immer nur zu zweit "aus der Hand" gesegelt. Immer noch ohne Rollsegel und Winschen, war sie angenehm zu uns und Seekrankheit blieb uns erspart. Dennoch war sie stets eine willkommene sportliche Herausforderung. 

"Leinen los", Jetzt mit ihrer neuen Crew
Heute hat WIEBKE BOHLEN ihren Liegeplatz vor der Wachhütte am Bohlwerk in Richtung Roskilde (DK) verlassen. Sie wird mit neuen Eignern im dortigen Wikinghafen einen neuen, würdigen Platz einnehmen.  Zurück bleiben wir mit der dankbaren Erinnerung an ein außergewöhnliches Boot. Uns bleibt die Erinnerung an  die 22 Jahre dauernde intensive Beziehung mit vielen Höhen und manchen Tiefen. Wir wünschen "unserer" WIEBKE BOHLEN und ihren neuen Eignern allzeit guten Wind und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel. 


Farewell! Ein letzter Blick von Holnis Kliff 

25.05.19 JENETTA fast wie neu

Nomen est Omen. Achzig Jahre nach ihrem Stapellauf und zehn Jahre nach ihrer Bergung in Kanada beginnt für die 12mR-Yacht JENETTA (hebr. "Gott ist gnädig") heute ein neues Leben. 

JENETTA, bald wieder in ihrem Element...
Foto: Robbe&Berking Classic






















Die Wiederherstellung der alten Schönheit des schottischen Konstrukteurs Alfred Mylne, der längsten je nach der Meterformel gebauten, wurde heute von der Robbe&Berking Classics zu Wasser gelassen. Dazu Oliver Berking: "Nach der Wiederherstellung ist JENETTA zu 67 Prozent original, mit ihrem Bleiballast von 17 und einer Verdrängung von 37 Tonnen. Der Rest ist brandneu". Während der letzten eineinhalb Jahre entstand aus dem Kiel und verrotteten Fragmenten eine maritime Göttin im Schottenrock. Der wurde speziell für den heutigen Festtag maßgeschneidert. Künftig wird sie ohne Tartan-Muster, dafür aber mit Rigg zu sehen sein. Das Muster wurde ihr für den Festtag heute zu Ehren der Herkunft der Eignerfamilie aus Glasgow angepasst, es soll anschließend wieder den Blick auf die standesgemäß edlen Holzplanken freigeben.
... und so sah der Kiel vor fünf Jahren aus.
Skizze: Werner Kühn





Wir wünschen dem Boot und seinen Crews allzeit guten Wind und immer die notwendige Handbreit Wasser unterm Kiel. Dem Ereignis widmete heute der NDR in seinem Schleswig-Holstein-Magazin  einen Bericht.




Ist es nicht schön zu erleben, dass es hierzulande immer wieder erfolgreiche Projekte für die Erhaltung des maritimen Erbes gibt?
Die HAFENMELDUNGEN berichteten seit fünf Jahren über das Projekt. Nun hat es einen seiner wichtigsten Meilesteine passiert.

08.05.19 Rettungsboote für ALEXANDRA

Nun wurde die große Restauration der ALEXANDRA, Salondampfer aus dem Jahr 1908 und schwimmendes Wahrzeichen von Flensburg vollendet. Vor zwei Jahren kam das letzte seegehende kohlebefeuerte Passagierschiff Deutschlands mit einem neuen Kessel von der Werft zurück in ihren Heimathafen. Anschließend wurde die Einrichtung unter Deck in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Jetzt bilden die beiden Rettungsboote auf dem Bootsdeck den krönenden Abschluß der umfangreichen Erneuerung des herrlichen alten Dampfers.
Die beiden sechs Meter langen Ruderboote entsprechen originalgetreu denjenigen, schon auf frühen Fotografien der ALEXANDRA zu sehen sind. Sie wurden von der Flensburger Yachtmanufaktur von Robbe & Berking aus Mahagoni gebaut. Jedoch sollen sie nicht als Rettungsmittel eingesetz werden. Dafür sind modernere Schwimmkörper vorgeschrieben.

Wie wär's? Vielleicht bekommen wir im Hafen einmal ein traditionelles Bootsmanöver mit den beiden Schönen zu sehen?