Auf einer Reise Mitte der 90-er Jahre im letzten Jahrhundert nach Südengland kamen wir auch nach Falmouth. Vor der Hafeneinfahrt kreuzte eine Brigantine, die sich für uns immer mit dem Begriff "Scheinriese" verbindet. Das kam so: Die jüngeren Besucher der "Hafenmeldungen" werden sich nicht mehr an die wunderbare Fernsehserie "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" nach der Geschichte von Michael Ende erinnern. Hierin kommt Herr Tur Tur vor. Der hatte die merkwürdige Eigenschaft, dass er um so größer erschien, je weiter er entfernt war. Er wurde deshalb in der Geschichte auch "Scheinriese" genannt. So war das auch mit dieser Brigantine. Sie wirkte irritierend, weil sie immer näher zu sein schien, als nach ihrer Größe möglich sein konnte. Irritierend war auch der riesige Radar-Radon in der Schiffsmitte, der eher auf einen Schlachtkreuzer, als auf ein historisches Schiff gepasst hätte.
Nach zwei Runden um den - im übrigen sehenswerten - Hafen war das merkwürdige Schiff schließlich so nahe gekommen, dass wir es genauer erkennen konnten. Und in der Tat, was in der Ferne wie ein mindestens 20 Meter langer Traditionssegler aussah, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als ein Plastikschiff von höchstens acht erinnerten Metern Länge. Mit dem vollem Rigg einer Brigantine. Und die Radarkugel war auch nur der Kopf des stolzen Kapitäns, der aus seiner Mittschiffsluke schaute. Später erfuhren wir: Das Schiff wurde damals als Serienschiff unter dem Markennamen "La Brigantina" angeboten. Es war sozusagen eine frühe Version der Mini-Cupper, die vor ein paar Jahren durch den Flensburger Hafen segelten.
Ein solches Schiff entsteht jetzt auch auf der Flensburger Museumswerft. Zwar nicht aus Plastik (wenn man mal von den reichlich eingesetzten Klebstoff absieht), aber als ein maßstäblich verkleinertes Schiff aus früheren Zeiten. Die "Hafenmeldungen" berichteten über die ersten Bauphasen (23.03.12 Liliput in Westindien und 29.03.12 Vereinigung). Heute ist das Spantengerüst bereits weitgehen aufgestellt und man kann die spätere Form schon sehr gut erkennen. Der Bootsbauer sagte, das Modell solle schimmfähig und mit vollem Rigg hergestellt werden.
Das wäre dann also "La Brigantina" auf flensburgisch.
Übrigens: Herr Tur Tur wurde später der Leuchtturm von Lummerland. Hoffen wir also, dass auch das Projekt der Museumswerft zu einem der hierzulande von Politikern gern zitierten Leuchttürme wird. Und sich damit doch nicht als Scheinriese erweist, als ein Projekt das Groß anfing bevor es schrumpfte.
Dieses Tagebuch wird für Liebhaber und Freunde traditioneller Segelschiffe geschrieben. Es gibt ausschließlich persönliche Eindrücke und Gedanken wieder. Daher ist es unvollständig und subjektiv. Für Irrtümer bitte ich um Nachsicht. Vielleicht findet ihr Zeit, einen Kommentar an die Mailanschrift in "Impressum/Kontakt" zu schreiben. Dafür schon im voraus herzlichen Dank! Alle Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.
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