01.06.19 Von außen gesehen

Vierzig Jahre Rum Regatta, die Hälfte davon selbst mitgemacht. Mit Beginn unserer "bootlosen" Zeit wechselt die Perspektive vom Teilnehmer zum Zuschauer. Noch ungewohnt, aber reizvoll.

Der erste Eindruck von der Rumregatta von Land her gesehen ist durchaus angenehm: Lange ausschlafen, gemütlich in der gewohnten Umgebung frühstücken, Zeitung lesen. Dann gemächlich zum Quellental nach Glücksburg fahren und am Strand spazieren gehen. Hier liegt die Förde in ihrer ganzen Schönheit vor uns. Flensburg ist zwar hinter dem Huk von Schausende verborgen, aber gegenüber haben wir die Ochseninseln und ganz rechts Holnis Enge. Es ist diesig heute morgen und ein frischer Südwest setzt unter rasch ziehenden Wolken Schaumkämme auf die graugrünen Wellen.


"Same Procedure as every year": Die Rumregatta startet um elf Uhr, die Linie geht von Wassersleben quer über die Förde Richtung Sonwik. Schon eine Stunde vorher kreuzen dort etliche Jagten, Haikutter, Zollkreuzer, Lotsboote, Tjalken. Schillers Ballade fällt ein - wer zählt die Boote, nennt die Namen?  Dann formiert sich das Feld quer über die Förde zu einer langen Linie zahlloser Segel. Kein Schuss zu hören, nur Rauschen der Buchen hinter und der Wellen vor uns. Jetzt setzt sich die Reihe in Bewegung, einzelne größere Boote werden erkennbar.

Wie oft, ein kleiner Wettstreit, den richtigen Namen zu raten. Rigg, Segel- und Rumpffarbe helfen beim Erkennen, Roter Rumpf? Das ist vermutlich RYVAR oder LILLA DAN. Spitzer? Das kann nur FULVIA sein. Nur ROLLO hat einen roten Lotsenstreifen im Topsegel. FRIGG segelt unter dänischer Flagge mit der Nationale im Achterliek des Besan. SEBBE ALS, das Wikingerboot mit dem gestreiften Rahsegel ist ohnehin nicht zu verwechseln. Nur KNIPDUL, das Kaschubenboot aus Polen, hat ein grellrotes Segel. Das Nordlandboot KJAERINGA gibt es ohnehin nur einmal bei dieser Regatta.

Die meisten Boote sind zwei bis drei Seemeilen von uns entfernt, viel dichter ran kommt man weder von der West- noch von der Ostseite der Förde. Die Perspektive verschiebt ständig die Position der Teilnehmer zueinander. Wer eben noch weit abgefallen hinterher zu segeln schien, scheint bald gleichauf  Richtung Tonne 12 am Eingang zu Holnis Enge. Dort ist die
traditionelle Wendemarke der "unernsten" Geschwaderfahrt, die aber von einigen todernst auf Platz und Sieg gesegelt wird. Denn nur wer als zweiter über die Linie geht, bekommt den begehrten Preis: Eine Flasche Flensburger Rum in der Dreiliter-Klasse. Der Erste wird verulkt, der Rest darf zugucken.
Nun sind die meisten der großen Boote aus dem Blick verschwunden. Groß ist nicht gleich schnell. Dreimast Brahmsegelschoner FYLLA, der größte Teilnehmer der 40. Rum Regatta segelt majestätisch im hinteren Drittel. Aber Majestäten sollen sich ohnehin nur würdevoll bewegen, alles andere schadet dem Ansehen.

Jetzt taucht ein Schwarm kleiner Jollen auf. Wer gestern die Regatta der Kleinen im ruhigen Hafen segelte, wird jetzt durch eine ruppige Windsee gefordert. Aber das können diese offenen Boote erstaunlich gut ab. Selbst die kleinsten der kleinen alten, teilweise von noch älteren Crews gesegelt tauchen hinter der Großen Ochseninsel auf und kreuzen hoch am Wind in Richtung Flensburg. Da! Wo eben noch ein Segel zu sehen war, treibt jetzt nur noch ein dunkler Fleck auf dem Wasser. Da ist wohl ein Boot gekentert. Aber zwei Boote der Seenotretter kommen zu Hilfe. Keine zwei Minuten haben sie (gefühlt) dafür gebraucht.
Bald kommen die "Großen" zurück. Jetzt kreuzen sie in langen Schägen gegen den immer noch kräftigen Südwest. Bald sind die Ersten nahe. Wo das Wasser tief genug ist kommen sie auch nahe an das Ufer.

Wir brechen auf, nutzen die neue Freiheit ohne Boot. Noch während der laufenden Regattaund steuern wir ein neues Ziel an. Heute wird die NordArt in Büdelsdorf eröffnet. Aber so ganz sind wir  noch  nicht weg vom Wassersport. Im Park der Villa Ahlmann, wo die großen Skupturen ausgestellt sind, fesselt ein Werk von Rudolf Burda unseren Blick. "Da eine Schiffschraube!" Für uns naheliegend, für den Künstler eher nicht. Doch immerhin Anlass für ein Gespräch über sein Werk. Schließlich ist sein Thema "Reflektionen" und die beschäftigen uns gerade ganz intensiv. Wir sollen ihm mal schreiben, sagt er. Das machen wir. Der Kontakt zu einer ganz anderen Welt wird uns helfen, nicht mehr in allem und jedem etwas Maritimes zu sehen.

PS. 02. Juni
Mittlerweile ist WIEBKE BOHLEN nach drei Tagen Reise im Wikinghafen Roskilde  angekommen, ihrer neuen Heimat. Damit ist für uns ein Lebensabschnitt endgültig zuende gegangen. Farewell, und Danke, dass wir dich segeln durften!

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