27.08.14 Dichtung und Trockenheit (1)

Von den in der letzten Woche vorhergesagten trockenen Tagen blieb letztlich nur der heutige Mittwoch übrig. Zudem musste gestern, zwar bei Schwachwind, auch einmal wieder die Förde besegelt werden. Jetzt, nach der Feriensaison, ist es hier besonders schön. Wenige Motorboote, keine Wasserflugzeuge und ringsum wenige, entspannte Segler. Nach dem Anlegen im Hafen gab es wieder einen Wolkenbruch, wie schon so oft in den letzten Tagen.
  
An Bord unter Deck sitzen und zusehen, wie das Regenwasser durch undichte Stellen tropft, kann depressiv machen. Aber glücklicherweise gibt es dagegen ein bewährtes Mittel: Das Deck dicht machen. Bei Schauerwetter bleibt für die Reparatur nur die Zeit bis zum nächsten Guss. Bis dahin muss die Leckstelle zuverlässig gefunden und abgedichtet werden. Besonders im Frühjahr und Herbst ist der nächtliche Tau so ergiebig wie ein mittlerer Regenschauer. Wurde eine undichte Stelle in Angriff genommen, sollte sie spätestens am Abend wieder dicht sein.

Unter einer Plane zu arbeiten, hilft nur bei leichten Schauern. Wenn es wie aus Eimern schüttet oder sehr lange regnet, wird das Wasser, dem Deckssprung folgend bald die Reparaturstelle erreichen und sich dann eifrig in die frisch geöffnete Naht ergießen. Die nachfolgenden Betrachtungen gelten deswegen für Schauerwetter, gegen nasse Kojen bei Dauerregen hilft nur eine rechtzeitige Vorsorge.

Mit einem stumpfen Marlspieker, vorsichtig auf die Dichtmasse
gedrückt, kann festgestelllt werden, ob die Versiegelung noch
an den Flanken haftet. In diesem Fall ist sie wirkungslos und
muss ersetzt werden.
Das Deck, von dem hier die Rede ist, besteht aus 42 mm dicken Teakplanken.  Sie sind nicht lackiert, was die Suche nach Leckstellen immens erleichtert. Dazu lohnt es sich, das Deck zu beobachten, wenn das Wasser nach einem Regenschauer trocknet. Wenn die Planken weitgehend trocken sind, bleiben bei den Lecks eng begrenzte feuchte Stellen erhalten. Drückt man dann hier vorsichtig (!) mit einem stumpfen Gegenstand auf die Versiegelung, tritt oftmals Wasser aus der Nahtstelle, ein sicheres Zeichen für ein Leck.
Bleibt das Holz unmittelbar neben einer Naht feucht, wenn das
übrige Deck schon getrocknet ist, kann das an einer undichten
Versiegelung liegen, so wie hier an dem Plankenstoß links oben.

Manchmal kann man vorsichtig (!) prüfen, ob die Ränder der Versiegelung am Holz haften. Wenn sich ein Spalt öffnet, ist man dem Leck meist dicht auf der Spur. Man sollte die Suche auch dann fortsetzen, wenn schon eine verdächtige Stelle gefunden wurde, denn ein Leck kommt selten alleine. Jede undichte Stelle muss repariert  werden, um das Tropfen abzustellen. Selbst kleine, unscheinbar wirkende Leckstellen können beachtliche Wassermengen unter Deck leiten. Es ist zwar sinnvoll, die größten Undichtigkeiten zuerst zu beseitigen, aber letztlich ist jedes Leck eines zuviel. Das zeigt sich spätestens in der nächsten Regenperiode. Wen das nervt, kann sich damit trösten, dass  bei dieser Aktion nebenbei auch der Charakter trainiert wird. In unserem Fall besonders die Frustrationstoleranz und die Ausdauer.

Ein Gedanke nebenbei: Unternehmen geben viel Geld aus, um gerade diese Eigenschaften ihrer Mitarbeiter zu entwickeln. Vielleicht sollten sie das am Beispiel traditionell gebauter Holzschiffe trainieren?

Zurück zum Deck. In unserem Fall ist es mit Baumwolle kalfatert und mit einer Kunststoff- Vergussmasse versiegelt. Nur sie hält das Deck dicht. Das Kalfat hat eine andere Aufgabe: Es soll die Planken unter Spannung setzen und dadurch den Rumpf "versteifen". Weil das Kalfat wie ein Docht wirkt, kann es Wasser entlang der Naht an andere Stellen transportieren, und zwar um so weiter, je länger und reichlicher es von oben nachfliesst. Dabei kann die Stelle, an der es tropft, auch höher liegen, als das Leck in der Versiegelung. Decksbalken können zudem eingedrungenes Wasser von einer Planke zu benachbarten Planken weiterleiten.

Regelmäßige Kontrolle auf undichte Stellen über und unter Deck helfen, den Reparaturstau gering zu halten. Gedanken von der Art "das machen wir alles im Herbst" führen meist dazu, dass nichts geschieht.

Es lohnt sich, die Suche von der Tropfstelle ausgehend, "rückwärts" durchzuführen und außen auf Plankennähte zu erstrecken, die dafür infrage kommen. Das ist zwar manchmal langwierig, aber mit der Zeit entwickelt sich ein Sinn für die Physik der Leckstellen und die Suche benötigt weniger Zeit. Aber die Alternativen führen auch nicht schneller zum Erfolg:
  1. Alle Decksnähte in einer großen Aktion neu abzudichten ist klingt sehr wirkungsvoll, dauert aber meist länger als eine Segelsaison, kostet viel Zeit und Geld und wird deshalb unterlassen. Immerhin reden wir hier von einigen hundert Metern Planken, die auf einen Schlag abzudichten wären. Das ist bestimmt nichts für die Reparatur zwischendurch, wenn es über der Koje tröpfelt.
  2. Nur über der tropfenden Stelle abzudichten zu wollen ist meist überflüssiger Aufwand, weil die Versiegelung oft an einer anderen, weiter entfernten Stelle undicht ist.
  3. Abwarten und eine Plastikplane anbringen, die das Wasser auf kurzem Weg in Bilge leitet, hilft nur im Notfall und nur für kurze Zeit. Zum Beispiel, wenn die Liebste droht, das Schiff wegen der nassen Koje SOFORT zu verlassen. Selbst wenn sie bleibt, ist das Deck weiterhin undicht. Wenn sie geht, auch. (Dennoch findet Kreativität auf diesem Gebiet ein weites Feld: Wir waren einmal auf einem Schiff zu Gast, wo der Eigner an zahlreichen Stellen Kunststoffbecher mit Reisszwecken unter die Decke genagelt hatte. Wir fragen uns immer noch, wie die vollen Becher ohne zu kleckern geleert wurden?)
  4. Beliebt ist unter Holzschiffeignern der Spruch "das zieht sich dicht". Mancher legt sich zu dem Zweck bei Trockenheit nasse Tücher an Deck, andere installieren Sprinkleranlagen um das Deck zu befeuchten und bieten damit zumindest den Besuchern ein interessantes Gesprächsthema.
    Tatsächlich kann Wässern Schäden durch das Austrocknen vorbeugen. Aber wenn es erst einmal gerissen ist, hilft nur noch eine Reparatur.
Ein befreundter Segler kam jetzt von seiner Sommerreise zurück. Seine Kunststoffjacht litt nach der großen Hitze und Trockenheit unter undichten Stellen an den Rüsteisen, Luken und allen Stellen wo das Deck angebohrt oder für Kabel durchbrochen wurde. Die Versiegelung hatte sich geöffnet.
Für den Liebhaber traditioneller Holzschiffe ohnehin keine Alternative, bieten moderne Kunststoffjachten anscheinend auf diesem Gebiet auch keinen Vorteil.

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