13.07.19 Das Dampferrennen

Müssten wir uns entscheiden, beim diesjährigen Dampf Rundum würden den Wettstreit der Dampfer zum ultimativen Höhepunkt der Veranstaltung erklären. Es war nicht einfach überhaupt Karten zu bekommen, aber mit Beharrlickeit und Spürsinn kamen wir doch noch auf das anscheinen sorgsam versteckte Buchungsportal. Das Schiff unserer Wahl in diesem Jahr: SCHAARHÖRN. 



SCHAARHÖRN, unser Favorit 2019
In letzter Minute hat sogar Petrus versucht, uns das Erlebnis zu vermiesen. Dichte Regenschauer setzen die Schiffbrücke unter Wasser und die Besucher der Hafenmeile suchen unter Marktständen, bei den Open-Ship-Teilnehmern und auch Schirmen anderer Passanten Zuflucht. Aber nachmittags ist der Spuk nach Norwesten abgezogen und droht nur noch von ferne über dem Steilufer.










Skylight im Salon der SCHAARHÖRN
Vor dem Schiff mit den vielen Bezeichnung (Peil-, Bereisungs-, Senats- oder auch Staatsdampfer) haben sich schon eine halbe Stunde vor Termin zahlreiche Shiplover mit weißen Buchungsunterlagen in der Hand versammelt. Gefühlte statistische Mehrheit weiß, männlich, alt. Das ist in diesen Tagen schon mal eine Beobachtung wert, sagt man dieser Bevölkerungsgruppe in den Medien doch häufig nach, den Klimawandel zu leugnen. Vor den anderen Dampfern dasselbe Bild. Glücklicherweise weht der schwache Wind im Hafen aus nördlicher Richtung. So treiben die dunklen Rauchschwaden aus den Schornsteinen über das Wasser zur anderen Hafenseite, wo sie sich auflösen. "Von Feinstaub wollen wir heute mal nicht reden" hatte ein durchaus sympathisierender Post über das Dampf Rundum in Facebook getitelt und damit einen kleinen Shitstorm losgetreten. Also
lassen auch wir das einfach mal auf Seite. Schließlich gibt es für uns heute etwas Wichtigeres als Greta und Klima: Das Dampferrennen.

Jetzt ist es soweit. Auch die wenigen Smartphone- Süchtigen haben gemerkt, dass wir an Bord gehen dürfen. Die Reservierung vorweisen und wir sind, nur ein paar kleine Scherze später, schon an Bord. Der Salon ist nahezu verwaist; unser Innenohr signalisiert leichte Krängung nach Steuerbord. Tatsächlich, auf dem Seitendeck der Wasserseite haben sich erheblich mehr Passagiere
Senatsdampfer SCHAARHÖRN: jeder der zwölf
Senatoren hatte seinen Platz
versammelt. Ein Schiff nach dem anderen legt ab und schließlich kommen Kommandorufe in den Raum. Sie klingen wie "Achterleine und Mittschiffsleine los." Aha, wir werden in die Spring einfahren, um das Heck von der Schiffbrücke frei zu bekommen.

Hier gibt es schon eine Servolenkung - natürlich mit Dampf
Ein Blick aus den Salonfenstern zeigt: SCHAARHÖRN nimmt langsam Fahrt auf. Wäre nicht dieser Blick auf die langsam vorbeiziehenden Menschen auf dem Kai - kein Geräusch und keine Erschütterung hätte uns über die Bewegung informiert. Erst als wir später an Deck stehen, ist aus dem Maschinenraum ein leises rhythmisches Zischen zu hören. Später klingelt der Maschinentelegraph und das Zischen steigt an. In lockerer Geschwaderfahrt bewegen sich die jetzt noch heftiger qualmenden Schiffe in Richtung Ochseninseln, wo das Rennen in etwa einer Stunde beginnen wird, Hinter uns nähert sich der Schleppdampfer WOLTMAN. Er will wohl unsere Geschwindigkeit testen, aber dann wird er wieder langsamer und fällt auf sicheren Abstand zurück. Heute ist der Wind wirklich sehr schwach! Die wenigen Segelschiffe und -boote liegen bekalmt auf dem glatten Wasser. Der schwarzbraune Rauch der Dampfer steigt nahezu senkrecht hoch, nur vom Fahrtwind gebeugt. Die Gebäude der Marineschule in Mürwik werden sich bei diesem Bild an ihre Gründungstage erinnern, als sie Treffpunkt vieler Marineschiffe waren.
Vor den Ochseninseln wendet das Feld, verschlingen sich die Kurse der Teilnehmer- BUSSARD quert unseren Kurs, dreht ab.

Was für ein Unterschied zur Rumregatta! Hier gesittetes Gleiten, keine Schreie,  keine Drängelei vor dem Start. Das Feld nimmt die Startpositionen ein, bildet schließlich eine Linie. Jetzt liegen alle Schiffe ruhig nebeneinander. Dann ein lautes Hornsignal der ALEXANDRA, der Maschinentelegraph klingelt und schon kommt langsam zunehmend Fahrt in die SCHARHÖRN. Neben uns ALEXANDRA, anfangs etwas voraus, daneben STETTIN etwas zurück. Sie wird bald aufholen und dem ganzen Feld vorausfahren. Über die Bordlautsprecher kommt von der Brücke die Information: STETTIN wird wegen zu hoher Geschwindigkeit disqualifiziert. Ist doch schön, wenn der Humor bei dem Tempo noch mitkommt. Wieder klingelt der Maschinentelegraph, vermutlich sollen wir noch ein bisschen schneller werden. Und tatsächlich: Die Bugwelle macht jetzt ein scharf zischendes Geräusch wenn sie das Wasser zur Seite drückt und in breite Schaumstreifen verwandelt, die noch weit hinter uns den Kurs markieren. Noch immer ist keine Erschütterung zu spüren und kein Motorengeräusch zu hören. Nur das Zischen der Maschine ist jetzt hastiger geworden und klingt schon fast ein wenig zornig. Der Bordlautsprecher: "Wir machen 10,2 Knoten bei 350 Umdrehungen. Eigentlich wollten wir die Maschine mit 280 schonen, aber schließlich ist das hier doch ein Rennen!" Nun machen wir tatsächlich gegenüber ALEXANDRA langsam gut. Nur STETTIN ist für uns unerreichbar weit voraus. PRINZ HEINRICH schließt das Feld nach hinten ab. Das kommt davon, wenn der erste (STETTIN) 2200 PS auf die Welle bringt und der Letzte nur 200. Gemessen daran war das ein wirklich gutes, ein sportliches Rennen. Feuerschiff ELBE 1 markiert die Ziellinie. Geschafft! Pünktlich erreichen wir den Hafen.





Auch die Gastfreundschaft der gemeinnützigen Crew bleibt uns in guter Erinnerung. Nicht zu vergessen die wirklich leckeren Würstchen! Smut Norbert will an Bord keine Speisen aus der Dose dulden. "Das sind wir unseren Gästen schuldig". Die Würstchen kommen übrigens von seinem Schlachter. Und wir sagen herzlich Danke! Unsere Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt. Es war ein schönes Erlebnis auf dem schönen Schiff mit den vielen Bezeichnungen. Ach, ja auch das noch zum Schluß: Wir haben den Dritten Platz erreicht. Bei einer Olympiade wäre das Bronze. und am Montag schreibt das Flensburger Tageblatt, dass WOLTMAN, der Schleppdampfer aus Hamburg den ersten Platz gewonnen hat.