24.08.18 Ganz schön kirre

Auch verregnete Tage haben ihr Gutes. Man kann sein Holzboot stressfrei innen auf den unerbittlich näher rückenden Winter vorbereiten. 

Der Geruch von Wurzelteer dringt bei Freunden alter Holzboote unmittelbar über die Riechschleimhaut in den Bulbus Olfactorius und bewirkt:

  1. die Vorstellung von Segelboot, vorzugsweise mit Gaffel
  2. ein Gefühl der Sehnsucht nach dem "endlosen, weiten Meer"
Letztere ist bekanntlich Voraussetzung für den Schiffbau. Somit sind wir jetzt reif für das nächste Holzboot. Dabei sollte heute lediglich das bereits vorhandene für den Winter konserviert werden. Die Rezeptur ist einfach, aber wirkungsvoll. Man nehme je zur Hälfte Kiefernwurzelteer und Leinölfirnis, rühre die dunkelbraune Substanz sorgsam durch und bürste sie mit einem Flachpinsel dünn (DÜNN!) auf die staubfreien Innenseiten der Rumpfplanken, Spanten, Balkweger, Bodenwrangen und alles aus Holz, was ein Boot ausmacht. Ein Hauch genügt und schon schmückt seidig, feiner Glanz die Oberfläche. Das war´s schon. Am nächsten Tag ist die Wirkung vielleicht etwas enttäuschend, denn die Oberfläche, die am Vortag noch makellos glänzte, hat vermutlich matte Stellen bekommen. Das ist normal, denn Holz saugt unterschiedlich stark, je nachdem unter welchem Winkel seine Fasern angeschnitten sind. Also warten wir ein paar Tage und behandeln die matten Stellen noch einmal dünn (DÜNN!) wie gehabt. Nun dauert es vielleicht eine Woche oder auch zwei bis die Oberfläche getrocknet ist. Die Zeit hängt ab vom Luftaustausch, der Temperatur und der Feuchtigkeit der Planken. Es versteht sich von alleine, dass die nicht nass sein dürfen. Die übliche Feuchtigkeit vom Holz macht jedoch nichts aus.
Leinöl hat verschiedene angenehme Eigenschaften: Es ist wasserabweisend, atmungs- und kriechfähig, einfach auszubessern, umweltfreundlich und nicht zu teuer. Außerdem hat es sich als Rostschutz und -konservierung bewährt. Wir haben beispielsweise das Maschinenfundamet mit Leinölfirnis behandelt.  Allerdings ist es nicht sehr belastbar. Aber dort, wo wir es auftragen ist UV-Licht und Abrieb ohnehin kein Thema.
Sein größter Nachteil ist, dass es sich bei Raumtemperatur selbst entzünden kann. Dagegen hilft, mit Leinöl getränkte Lappen nach der Arbeit in einem verschlossenen Glas aufzubewahren oder mit Wasser(!) nass zu machen und wegzuwerfen.
Letzte Frage: Warum behandeln wir unser Boot gerade JETZT? Ganz einfach: Leinölfirnis kann man sehr gut bei etwa 20 Grad verarbeiten.
Wurzelteer schätzen wir sehr. Er hilft gegen Bakterien und Pilze. Und, um ehrlich zu sein, es riecht einfach göttlich. "Es rauscht wie Freiheit, es riecht wie Welt" dichtete Joachim Ringelnatz in seiner Ode an "Segelschiffe". Vorher hat er vermutlich an Planken geschnuppert, die mit Wurzelteer behandelt wurden. Doch Vorsicht: Nach dem Auftrag sollte man lange und gründlich lüften. Wie Teer im Tabak ist er auch in der Kiefernwurzel schädlich.

Ach ja, und was soll die Überschrift? Auch Wildschweine finden den Duft von Wurzelteer unwiderstehlich. Jäger ködern sie damit und locken sie an einen gewünschten Platz um sie dort zu zählen oder zu jagen. Der Geruch macht sie einfach kirre (ruhig).   Deswegen sollte man sich vor der Einreise nach Dänemark umsehen, ob vielleicht Wildschweine das Boot als Köderschiff ansehen und im Kielwasser folgen. Die Schwarzkittel haben nämlich in Dänemarkt Einreiseverbot. Um sie abzuhalten bauen dänische Grenzschützer sogar Zäune entlang der Demarkationslinie.