22.09.16 Traditionsschiffe in Gefahr

Da braut sich was zusammen: Dunkle Wolken über alten Seglern
Foto: rho spuerbar






















Ein Skipper bringt es auf den Punkt "Die müssen was gegen uns haben" lautet sein Resumée auf den Anlass für die augenblickliche Erregungswelle in der die Gemüter der Traditionsschiffer hochgehen. Das Flensburger Tageblatt widmete heute dem Thema gar zum zweiten Mal in acht Tagen einen mehrspaltigen Artikel. Der Titel des ersten drückte "Sorge um Traditionsschiffe aus", der von heute legt deutlich zu "Ministerpläne gefährtden Alex & Co". Er endet mit der düsteren Prophezeiung: "Das maritime Erbe unseres Landes wird dann nur noch in Museen besichtigt werden können." Mit Alex ist natürlich ALEXANDRA gemeint, der museale Salondampfer aus Flensburg. Er hat einen besonders hohen Sympathiewert in der Region. Minister Dobrindt hat ihn nicht, er stammt aus Bayern.
Es ist nicht die erste Welle dieser Art. Vor vier Jahren ging schon einmal die See hoch, als das Oberlandesgericht Hamburg einem Traditionsschiffer klarmachte, "(Sein) Schiff (sei) "kein historisches Wasserfahrzeug, das hauptsächlich mit den Originalwerkstoffen im Original oder als Einzelnachbildung gebaut wurde". Das Gericht führte weiter aus "Insbesondere ist die Ausfüllung des Begriffes 'historische Wasserfahrzeuge' daran zu messen, ob es sich um Wasserfahrzeuge handelt, die in der Vergangenheit bereits existiert haben. Denn nur hinsichtlich solcher Fahrzeuge besteht, ... ein öffentliches insbesondere kulturelles Interesse an der Erhaltung und Präsentation in Fahrt." Mit einfachen Worten: Der persönliche Geschmack des Eigners oder sein Nutzungskonzept reicht nicht, um die geforderte Historizität nachzuweisen. Tatsächlich entsprachen viele Schiffe nicht zweifelsfrei dieser Anforderung.

Gleichwohl sind die Traditionsschiffe Publikumsmagnet auf den einschlägigen Veranstaltungen der Hafenstädte von Greifswald bis Leer. Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig und so erregten sich mit den Schiffseignern auch Regionalpolitiker. Schließlich sah sich das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastuktur genötigt, die Richtlinie zu überarbeiten und zu präzisieren. Der Entwurf liegt vor, die neue Richtlinie soll ab Januar 2017 in Kraft treten. 

Von neuen Vorgaben für das historische Erscheinungsbild der alten Segel- und Motorschiffe ist in den Zeitungsberichten jedoch nicht die Rede. In dem jetzt für Empörung sorgenden Entwurf ist stattdessen die Sicherheit das zentrale Thema. Der Zeitungsartikel legt nahe, dass die Schiffe, finanziell ohnehin meist am Limit segelnd, ihren Betrieb einstellen müssten. Und tatsächlich werden Forderungen bekannt, die einen hohen finanziellen Aufwand nach sich ziehen. Zusätzliche Sicherheitsausrüstungen, periodische Schulungen, Zertifizierungen... das volle Programm aus dem Repertoire der Bürokratie, wenn es darum geht Menschen vor sich selbst zu schützen. Im Ergebnis kämen die Auflagen jetzt denen für die Berufsschiffahrt sehr nahe. Während diese jedoch zum Ausgleich Gewinne einfahren darf, dürfen Traditionsschiffe nur für den Erhalt der Schiffe Geld einnehmen

Dazu muss man sich erinnern, dass die Forderung nach dem historischen Erscheinungsbild im Kern dadurch begründet ist, dass die - gegenüber der Berufsschifffahrt niedrigeren - Anforderungen an Ausrüstung und Qualifikation einen Kostenvorteil der Traditionsschiffe bedeutet. Die Novelle lässt nun diesen Vorteil schrumpfen. Im Ergebnis könnte die Kombination von Historizität und Sicherheit manchen, wenn nicht sogar vielen Traditionsschiffen den Garaus bereiten. 
Die Forderung nach dem historischen Erscheinungsbild ist nachvollziehbar - schließlich sollen Zeugnisse maritimer Kultur bewahrt werden. Bei der Sicherheitsanforderung liegen die Dinge jedoch anders. Selbstverständlich müssen die Menschen an Bord zuverlässig vor Gefahren geschützt werden. Dazu braucht es aber nicht in jedem Fall höhere materielle Ausstattung und höhere bürokratische Hürden. Ein Skipper fragte sich heute, wozu er Ausrüstungen für Hochseefahrt nachweisen müssen, wo er doch mit Gästen immer nur in geschützten Gewässern fahre und warum eine nach Fahrgebiet abgestufte Ausrüstung und Ausbildung nicht vorgesehen ist. 

Vollends unverständlich werden Forderungen in dem Entwurf, die dem Erhalt historischer Schiffe zuwider laufen. Dazu gehört beispielsweise, dass in hölzerne Schiffe Schottwände aus Stahl (zusätzlich) einzubauen sind. Das allein wird nicht nur wegen der immensen Kosten das Ende vieler Schiffe bedeuten. Sie wären, wenn der Umbau konstruktiv überhaupt möglich ist, anschließend keine Traditionsschiffe im Sinn der selben Verordnung mehr. 

Erstaunlich ist auch, dass die Stoßrichtung der Novelle erst jetzt, kurz vor Ultimo bekannt wird. Hat das Bundesministrium die Angelegenheit so lange als geheim klassifiziert, oder hat man einfach zu wenig miteinander geredet?