Gaffelsegler, Ketschen zumal, sind auf diesem Kurs zum Wind nicht zu toppen. Besonders dann, wenn man sich den Luxus leistet, etwas abzufallen um die Geschwindigkeit zu steigern. Dann steht der Klüver voll und bauchig, das Großsegel ist weit aufgefiert, das Unterliek etwas lose getrimmt. Dann wehen alle Windfähnchen waagrecht aus und der Rudergänger seufzt vor Vergnügen. Voll und bei: Sogar der Besan hilft noch kräftig, ohne den Druck aufs Ruder zu steigern. Gut getrimmt, steuert der Traditionssegler auf diesem Kurs zum Wind sich ganz alleine und der Rudergänger kann sich zu seiner Liebsten setzen und Kaffe und Kuchen genießen.
Die "Weiße Wand" von Bord aus gesehen. Toppsegel (li.o.), darunter Großsegel, Besanstagsegel (Mi.) und Besan (re.). Die Vorsegel sind hier durch das Großsegel verdeckt. |
An alle anderen Mitmenschen ist der Überschwang verschwendet. Wen der
Und hier von weitem betrachtet. Die Aufnahme entstand früher im Limfjord |
Trotz dieser Warnung muss doch eine kleine Episode erlaubt sein. Mit der normalen Arbeitsbesegelung (Klüver, Fock, Groß und Besan) von rund 100 Quadratmetern beschleunigen drei Beaufort unsere ca. zwanzig Tonnen auf etwa drei Knoten Geschwindigkeit. Das ist das Tempo eines rüstigen Wanderers. Schnell genug, um uns in vier bis fünf Stunden in die Bucht von Hörup Hav zu befördern. Wenn wir jedoch das Besanstagsegel und dazu auch noch das Topsegel setzen, können daraus gerne auch fünf Knoten und mehr werden. Nun weiß jeder, dass kein Wind absolut gleichmäßig weht. Am Montag belebten zusätzliche Böen die drei Beaufort und hoben die Geschwindigkeit auch schon mal über die Marke von sechs Knoten. Den Spaß ermöglichen die 40 zusätzliche Quadratmeter Segelfläche. Wir bezahlten dafür gerne mit einem Krampf in den Lachmuskeln.
Auch in der Nacht hielt die Brise aus Nordwest durch. Der Vollmond zauberte Lichtpunkte auf tausend kleine Wellen und über den wenigen Wolken standen die Sterne hell und klar.
Irgendwann ist auch die schönste Nacht zuende. Morgens wehte immer noch dieselbe Brise, so konnten wir uns hoch am Wind auf die Heimreise machen. Noch vor Anker liegend hatten wir das Großsegel gesetzt; den Besan hatten wir stehen lassen, wie beinahe immer vor Anker, das Boot liegt dann ruhiger. Vor dem Hafen von Hörup Hav konnten wir dann nach Südwest abfallen. Der Wind erreichte uns nun wieder backstags - ideal für die Segelführung vom Vortag. Allerdings wehte es jetzt schwächer als bei der Hinreise. Erst am Mittag erreichten wir den Süden der Sonderburger Bucht. Aber was macht's? Wer beschwert sich über milde 20 Grad Celsius und eine ebenso milde Brise? Jedenfalls hatten wir genug Muße für unser beliebtes Spiel "Schiffe erkennen". Eine Tjalk segelt in großer Entfernung auf parallelem Kurs Richtung Süd. Das könnte Skutsje FROUWE FORTUNA sein. Ein Gaffelkutter mit einem weißen Rumpf und weißen Segeln verläßt den Hafen Hörup und segelt später Richtung Kalkgrund. Den haben wir nicht erkannt. Über die entfernte Begegnung mit DAGMAR AAEN auf ihrer Heimreise in den Museumshafen haben wir schon berichtet. Später erfuhren wir, dass wir von deren Besatzung auch gesehen, aber nicht erkannt wurden. Kein Wunder, ist doch Rumpf und Rigg des rot-weißen Expeditionsschiffs markanter als unsere Silhouette. Zurück im Hafen wird sie schmeichelhaft als "Weiße Wand" beschrieben. Ziemlich dick aufgetragen, aber dennoch - das Kompliment hat was.
Leider geht dem Wind nach und nach die Puste aus, wenn man den Kalauer einmal anbringen darf. Er reicht noch um FORTUNA bei der Schwiegermutter nahe zu kommen. Sie konnte mit ihrem viel geringeren Tiefgang dicht unter Land fahren und hatte daher einen kürzeren Weg. Aber schon in der äußeren Förde mußte sie hoch an den Wind gehen, da sind wir einfach besser dran. Der Wind reicht uns noch bis durch die Enge von Holnis, dann war's mit dem Segeln vorbei. Es ist früher Abend. Bedauerlich, aber wahr: wir starten die Maschine. Die braucht das ohnehin immer wieder mal, wenn sie keinen Schaden nehmen soll. Obwohl wir jetzt auch mal mit aufgetuchten Segeln in Flensburg einlaufen können, ist es ein wenig traurig. Aber wie sagte Stefanie "Es iss’ ja wie’s iss".