21.05.18 Sommersegeln

Ostwind, drei Beaufort, Böen sechs, leichte Bewölkung, keine Niederschläge. Herz, was willst du mehr. Dem, der heute nicht segelt ist nicht zu helfen. So ging es uns in den letzten Tagen. Aber heute wollten wir endlich wieder mal raus. 

ANNY von Glückstadt bei den Ochseninseln
Schoner ANNY aus Glückstadt hatte offenbar den selben Gedanken. Als wir zu unserem
Boot gehen, ist ihr Liegeplatz verwaist. Später sehen wir sie bei den Ochseninseln. Man kann sie kaum verwechseln. Mit ihrem ausgeprägten Mastfall sieht sie selbst fest vertäut noch schnell aus. Mit weissen Masttoppen und einem steilen Klipperbug lässt sie uns an ein Schmuggler- oder Piratenschiff denken. An dem abgelegenen Liegeplatz der Ochseninseln sowieso. Aber heute ist guter Wind und wir lassen die beiden dänischen Inselchen in der Inneren Flensburger Förde links liegen.
Schon im Hafen hatten wir unsere Standard- Besegelung gesetzt: Klüver, Baumfock, Großsegel, Besan. Das reicht als Antrieb, denn auch wenn der Wind im Hafen nur schwach weht, einzelne Böen lassen erahnen, dass es "draußen" stärker zur Sache geht.
Ostwind im Hafen bedeutet immer, dass uns die hohen Speicherhäuser mit windstillen Zonen und unkalkulierbaren Wirbeln auf die Probe stellen. Heute müssen wir direkt nördlich vom Museumshafen einen großen Bogen nach West machen, der uns bis vor die Pier der Stadtwerke führt. SIONNACHAN, die klassische Yacht aus dem Historischen Hafen, startete kurz vor uns. Nun zeigt sie uns, wo es lang geht. Dann ein Schlag zur Ostseite. Der bringt uns fast bis an die Pier, wo eine Böe unerwartet von Nord einfällt, gerade als ein Motorboot und ein Segler unter Motor dicht hinter uns passieren wollen. Schon hängen wir kurz vor dem Harniskai in einer abgebrochenen Wende fest und müssen
BRITTA, eine Viking Einheitsklasse von 1948 aus Norwegen
uns doch tatsächlich (bitte nicht weitersagen) mit "voll zurück" der Maschine vor einem harten Anleger retten. Dann die Wende, wieder auf Backbordbug. Auf der anderen Hafenseite kreuzt SIONNACHAN unseren Kurs und erweicht unser Herz mit dem Ruf "wir haben keine Maschine"! Wurden wir doch gerade daran erinnert, wie hilfreich so ein Dieselantrieb auch für einen Segler sein kann. Für das nächste Mal kreuzen im Hafen merken wir uns, dass es klug ist, einen Schlag nicht bis auf die letzten Zentimeter auszureizen. Mit dieser Lehre im Kopf wenden wir nun mit gutem Abstand vor der Werftpier und sind schon bald in der Förde. Eine klassische Yacht, eine Viking, gebaut in Norwegen kreuzt nahe vorbei. Wie leicht und anmutig sich ihr Rumpf auf den Wellen wiegt!
Wie erwartet wird der Wind kräftiger, je weiter wir nach Norden kommen und steigert sich nach und nach auf geschätzte fünf bis sechs Beaufort. Was als Böe angekündigt wurde ist jetzt die allgemeine Windstärke und ein paar Böen kommen noch obendrauf. Viele Wellen zeigen Schaumköpfe und auf dem Wasser geben jetzt lange Streifen die Windrichtung an. Gut, dass wir uns nicht für mehr Segelfläche entschieden haben. Unten im Rumpf hören wir etwas poltern. Eine Tür war nicht sicher verschlossen. Nun liegt der Inhalt des Schapps auf dem Boden. Nördlich der Ochseninseln sehen wir bei Holnis einen roten Rumpf mit hohen Masten. Nanu? DAGMAR AAEN lag doch noch an ihrem Liegeplatz als wir aus dem Hafen segelten. Als wir näher kommen erkennen wir den Logger RYVAR aus dem Museumshafen auf Gegenkurs. Hallo, und willkommen zurück! RYVAR war einige Tage unterwegs. Nahe der Tonne 12, die alljährlich bei der Rumregatta gerundet werden muss, gehen wir in eine Wende, lassen die Schoten fliegen, denn nun kommt der Wind backstags. Das ist die optimale Richtung für unsere Gaffelketsch und schon bald zeigt der Plotter sechs bis sieben Knoten über Grund. Herz, was willst Du mehr! Das ist ja so schnell wie ein gemütlicher Radler und strampeln brauchen wir auch nicht. Viel zu schnell sind wir wieder im Hafen.


Bei der Werft nimmt der Wind noch einmal zu, das ist wohl der Düseneffekt in der Enge zwischen der hohen Werfthalle im Westen und den Silos im Osten der Hafenmündung. Wir machen uns daran, die Segel zu bergen. Das Bohlwerk erreichen wir schon ohne Baumfock, dann werden die Dirken durchgesetzt. Nach dem Museumshafen ist wenig Betrieb auf dem Wasser. Wir gehen  in eine scharfe Wende um den Klüver zu bergen. Auf Backbord kommt der besser an Deck. Dann die Besanschoten dichtgeholt, das Boot stellt sich in den Wind. Großschoten dicht und das Großsegel runter. Das Achterliek immer schön nach hinten ziehen. So sieht das Ergebnis meist ganz ordentlich aus. Nun die Maschine starten und warmlaufen lassen, während der Besan geborgen wird. Jetzt mit langsamer Fahrt zum Liegeplatz. Ein Blick auf die Fahnen an den Schiffen im Museumshafen hat uns gezeigt, dass der Ostwind hier auf Nordost
gedreht hat. Also laufen wir von Süden aus längst der Poller des Bohlwerks. Bei unserer Einfahrt "Ruder hart Steuerbord" und dann "Maschine zurück". Gehorsam folgt das Boot dem Radeffekt. Aber die Drehung reicht nicht ganz, der Wind hat sich gerade besonnen,
WIEBKE BOHLEN, fertig zum Einlaufen
Foto: 
Sebastian Hendrix (Danke!)
dass er eigentlich aus Ost kommen wollte und drückt den Bug gegen die gewünschte Richtung. Also "Maschine voraus", Ruder immer noch hart Steuerbord. Dann wieder Maschine zurück. Im Zickzack geht es langsam in die "Box", wo wir vor dem Ablegen die Vorleinen und die Achtersprings als Führungsleinen gespannt hatten.
Einigen Gästen der Fischbude vergeht der Appetit, weil unser Diesel natürlich nicht nur Vortrieb sondern auch Abgase erzeugt. Er wird nur wenig gebraucht; schließlich haben wir ein Segelschiff. Dagegen protestiert er mit einer blauen Abgasfahne. Aber bald haben Bens Gäste alles  überstanden. Wir liegen an unserem Platz und der Motor wird nicht mehr benötigt.