09.06.17 Rum, Schweiß und Tränen

Sonderausstellung im Flensburger Schifffahrtsmuseum (11.06.17 bis 04.03.18)

Dr. Tafari-Ama hat die Ausstellung wissenschaftlich
vorbereitet und kuratiert
Flensburg ist im 18. und 19. Jhdt. durch den Handel mit den dänischen Kolonien in der Karibik reich geworden.
Daran führt kein Weg vorbei: So platzsparend wurden
Sklaven auf Schiffen aus ihrer Heimat entführt.
Davon zeugen heute noch zahlreiche Spuren in der Stadt und dem Umland. Ziegeleien entlang der Förde produzierten im großen Stil für die überseeischen Baustellen. Das Ziegeleimuseum in Broager mit seinem hohen Kamin weist bis heute Seglern den Weg. Die Plantagen auf den karibischen Inseln lieferten Zucker und Rum in die Stadt, beides wurde hier veredelt und europaweit vertrieben. Ziegel, Zucker und Rum waren Teil des atlantischen Dreieckshandels, dem Wirtschaftsmotor der gesamten Region in dieser Zeit. Von ihm profitierten Seeleute, Reeder, Kaufleute, Schiffbauer, Handwerker und Bauern.



Der Reichtum und Einfluss einiger
Zeitgenössische originale  Entwürfe für Werbeikonen.
Hier: das Mitte des letzten Jahrhunderts sehr populäre
Pott-Negerlein zierte viele Bahnhofsuhren und Anzeigen
überdauerte bis in die heutige Zeit. Die Gebäude der Handelshäuser jener Zeit und  große Profanbauten prägen bis heute das Stadtbild. Die Blütezeit der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung dominiert weiterhin die kollektive Erinnerung der "Rum"-Stadt.

Entwürfe für die Ausstellung in den Händen ihres
Designers Sven Klomp
Kehrseite des hiesigen Wohlstands war das Elend von Millionen Männern, Frauen und Kindern, die als Sklaven gefangen, verkauft, geschunden und erniedrigt wurden.
Mit dem Verkauf der dänisch-karibischen Kolonien an die Vereinigten Staaten vor 100 Jahren endete dieser dunkle Teil der Flensburger Geschichte. Dies ist Anlass für die Sonderausstellung im Schiffahrtsmuseum. Sie will unserem gewohnten Blick die afrikanisch-karibische Perspektive gegenüberstellen und den Flensburger Zucker- und Rumhandel als Teil des europäischen Kolonialismus sichtbar machen.

Das Konzept für diese Ausstellung zu entwickeln war sicherlich eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Galt es doch, mit kleinem Budget auf einer kleinen Ausstellungsfläche durchschnittlich (un-)informierte Besucher mit einem historisch und kulturpsychologisch komplexen Thema zu konfrontieren. Eine große Rolle spielt dabei die Hautfarbe, entsprechend der Nachfahren von damaligen Tätern und Opfern immer noch Menschen wertschätzen. So kommt es zu der erstaunlichen Situation, dass die befreiten Nachfolger schwarzer Sklaven den weißhäutigen Jesus verehren und ihren Töchtern Hautbleichmittel empfehlen. Währenddessen wurden hierzulande Schokolade und (Pott-) Rum mit dem kitschigen Stereotyp von Nergerlein beworben.
Heute konnten wir die Ausstellung vorab besuchen und und ansehen, wie Sven Klomp, Dr. Thomas Overdick, Susanne Grigull und Dr. Imani Tafari-Ama die Aufgabe gelöst haben. Während wir den Raum betreten, arbeiten Handwerker an einigen Podesten.

Sind wir hier richtig? fragen wir uns beim Betreten des großen Raumes im Dachgeschoß. Wir sind gekommen, ohne eine rechte Vorstellung von dem, was uns erwarten würde. Sklaverei und Flensburg? Muss das sein? Speichergebäude, Kaufmannshöfe, Rum-Regatta - bekannt, hübsch anzusehen und friedlich, zumindest meist. Aber Sklaverei? Was wir hier so angenehm fühlig verdrängt haben, verdrängen konnten: Den Nachfahren der Sklaven gelingt das bis heute nicht. Zu tief sind die Spuren der Geschichte. Schon nach wenigen Schritten, mitten im Raum, zögern wir weiterzugehen. Auf dem Boden ist mit weißen Strichen diagonal eine etwa sieben Meter breite Fläche markiert. So breit war ein Sklavenschiff. Zwischen den Linien die Konturen von auf dem Boden liegenden Menschen, Kopf an Fuß liegend, die Füße aneinander gekettet, wie von alten Bildern in Sachbüchern von der Sklaverei überliefert ist. Was in den Büchern schön klein und daher ungefährlich aussieht wird hier in Lebensgröße real. Wer wird schon auf zu seinen Füßen auf dem Boden liegende Menschen treten? Dazu sind neben Informationstafeln Exponate im Raum verteilt, die von der Sicht heutiger Nachfahren auf die Folgen der Sklaverei zeugen.

Wir verlassen die Ausstellung durch eine Pforte unter der Feststellung "Ausgang ohne Wiederkehr". Diese Worte waren auch auf Sklavenschiffen in die Balken geschnitzt. Aus der Sklaverei oder aus dem Grab in der See kam keiner zurück.

Für uns ist der Spruch nicht endgültig. Wir kommen wieder.

Am Sonntag um 11.00 Uhr wird die Sonderausstellung eröffnet.