02.04.14 Schnittiger Typ

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird ein altes (Segel-) Schiff oft "Kutter" genannt. Das kann zu Missverständnissen führen, zumal wenn das Wort nicht als Kompliment gewählt wird, dann oft mit dem Adjektiv "alt". Aber auch davon abgesehen ist der Begriff nicht eindeutig. Im schwäbischen Sprachraum bezeichnet Kutter auch ganz allgemein "Dreck" oder "Unrat". Der wird im sogenannten Kuttereimer oder Kutterfass gesammelt. Fleischer benutzen Kutter, um Fleisch in feine Stücke zu schneiden. Der allgemeinen Verwirrung sind also Tür und Tor geöffnet. 
Auf Segelschiffe angewendet, bezeichnet das Wort heute eine ganz bestimmte
LE RENARD: Kutter im Jahr 1812
Art der Takelage. In diesem Sinne haben Kutter immer einen Mast und zwei oder mehrere Vorsegel. Das entspricht auch der ursprünglichen Definition dieses Schiffstyps. Dem entsprechend waren Kutter relativ kleine Fahrzeuge mit einer Rumpflänge bis etwa 20 oder 25 Meter. Ein schönes Beispiel ist der Nachbau der LE RENARD ¹), dem Kutter des berühmt-berüchtigten Kaperfahrers Surcouf aus St. Malo.

Kutter stammt vom englischen "to cut". Anfang des 19. Jahrhunderts kam der Begriff für eine neue Rumpfform in Gebrauch. Sie hatte im Vergleich zu den zuvor üblichen Entwürfen schärfere Linien im Vorschiff und zumeist einen annähernd steilen Vorsteven. Durch diese neue Form konnten häufig schneller segeln, als die überkommenen Schiffe mit einem vergleichsweise breiten Bug. Der Name Kutter sollte ausdrücken, dass sie die Wellen teilen, so leicht, wie ein Messer schneidet. Ein bedeutender Vorteil, wenn man's eilig hat. So ist es kein Wunder, dass Kutter nicht nur militärisch eingesetzt wurden, sondern im Laufe der Zeit auch in anderen öffentlichen Bereichen Einzug hielten. Die Bezeichnungen "Lotsenkutter" und "Zollkutter" zeugen noch heute davon. In der Fischerei, wo es auf schnellen Transport ankam, wurden Schiffe mit der Kutter-Form ebenfalls eingesetzt. 

Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Marine hatte bald schon das
BODIL: Kutter im Jahr 1924
nachvollziehbare Problem, dass Schiffe mit einem Mast schneller außer Gefecht gesetzt werden konnten als Schiffe mit mehreren Masten. Ein Treffer - und dann war es aus mit der Geschwindigkeit. Anders die Fischer. Während Kriegsschiffe zumeist sehr stark bemannt waren, mussten sie mit kleiner Besatzung segeln. Das ging nur, wenn die Fläche der einzelnen Segel gering gehalten wurde. Denn Hilfsmotoren für Winschen gab es anfangs nicht. Also verteilte man die Segelfläche auf mehrere (zumeist zwei) Masten. Obwohl sich die Takelage der Kutter im Laufe der Zeit wandelte, blieb der Begriff "Kutter" erhalten. So kommen wir zu dem - scheinbaren - Widerspruch, dass Hai-"kutter" im allgemeinen zwei Masten haben. Im Flensburger Museumshafen ist der Haikutter BODIL ein Beispiel dafür. Die Bezeichnung blieb sogar erhalten, als die Fischkutter ausschließlich mit Maschinen angetrieben wurden und der oder die Masten nur Teil der Fangeinrichtung waren oder die Antennen trugen.

Wie in der deutschen Sprache üblich, werden Namen häufig ergänzt, um sie zu präzisieren. So entstanden viele Bezeichnungen, die teilweise nur bedingt mit dem ursprünglichen Kutter zu tun haben, wie beispielsweise Rettungskutter, Ruderkutter, Jugendkutter, Rennkutter, Kriegsfischkutter, Gaffelkutter, Krabbenkutter, Marinekutter. 

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¹) Der Text der französischen Internetseite lautet (sinngemäß übersetzt von HAFENMELDUNGEN):

LE RENARD ist ein Marssegel-Kutter, Replik des ehemaligen bewaffneten Schiffes aus dem Jahr 1812 des Korsaren Surcouf (von 1773 bis 1827) aus Saint - Malo,

Im Jahre 1988 als Initiative zur Aufwertung des maritimen Erbes von der Gesellschaft Der Korsarenkutter - Le Renad gebaut, sollte das Schiff wieder auferstehen und als ein exemplarisches Zeugnis der Stadtgeschichte von Saint-Malo in Fahrt gebracht werden. Seit seinem Stapellauf im Jahr 1991 nimmt das Schiff unter anderem an verschiedenen sehr angesehenen internationalen Großveranstaltungen teil (Brest, Douarnenez, la semaine du Golf, Rouen...) Bei diesen Gelegenheiten kann es von Einzelpersonen und Gruppen gechartert werden. Außerdem empfängt es in jedem Jahr Schüler der Region zur Ausbildung an Bord, um sie für die Beutung der maritimen Welt empfänglich und damit ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Kulturerbe erfahrbar zu machen.

Technische Informationen:

Rumpflänge:         19 Meter
Länge über alles:  30 Meter
Segelfläche:         450 m²
Bewaffnung:          10 Karronaden