Der Historische Hafen Flensburg ist Heimat einiger Traditonsschiffe. Zu ihnen gehört als schwimmendes Denkmal der mittlerweile 104 Jahre alte Salondampfer ALEXANDRA, wie auch einige der alten Segler im Museumshafen. Sie werden durchweg von gemeinnützigen Vereinen oder Privatpersonen unterhalten und betrieben. Sie alle sind ehemalige Berufsfahrzeuge, die nach Ausscheiden aus der gewerblichen Nutzung von Privatleuten übernommen und teils aufwendig restauriert wurden. Manche Schiffe wurden bei dieser Gelegenheit für ihre neue Verwendung als Freizeitfahrzeug umgebaut. Wo beispielsweise ein Fischkutter bis dahin seinen Fang transportierte, wurde eine Kajüte eingebaut und mancher Motorkutter wurde zum Segelschiff umgebaut. Dennoch entsprechen ihre Rümpfe immer noch alten überlieferten Formen. Zusammen mit einem historisch und handwerklich korrekten Rigg erzählen sie von einer vergangenen Zeit, die bis in unsere Tage fortwirkt.
Nicht alle Schiffe wurden durch Umbauten verändert. Passagierschiffe und Yachten konnten in ihrer ursprünglichen Bestimmung weiterbetrieben werden. Aber Behördenfahrzeuge, Frachtschiffe oder Fischkutter mussten umgebaut werden, zumal es explizierte Verbote gibt, sie in ihrer ursprünglichen Verwendung weiter zu nutzen.
Ob mit oder ohne Umbau, Schiffe verschleißen schnell und müssen fortlaufend gepflegt, gewartet und repariert werden.
Das Dampfschiff ALEXANDRA bekam im letzten Jahr für etliche 100 Tausend Euro einen neuen Kessel; der alte musste nach mehr als 100 Jahren ersetzt werden. Auch die traditionellen Segelschiffe wurden und werden Jahr für Jahr mit hohem Aufwand erhalten. Der Einsatz von Zeit und Geld geht oft weit über den Bereich einer Liebhaberei hinaus, und kaum eine Privatperson kann das so nebenbei in der Freizeit und mit dem Taschengeld bestreiten.
Was nicht selber beigesteuert werden kann, muss von außen zufließen. Großzügige Sponsoren stehen nur Wenigen bei, um die ständig notwendigen Ausgaben zu decken.
Deshalb vermieten die meisten Eigner ihre Schiffe für Chartertouren und vermitteln dabei gleichzeitig einen Einblick in das seemännische Handwerk in früherer Zeit. Oder sie machen sie anderen kulturellen oder gesellschaftlichen Zwecken verfügbar: Reisen mit Schulklassen gehören genauso dazu wie mit Hochzeitsgesellschaften, Firmenveranstaltungen oder Tagesgästen.
Das berührt den Interessenbereich der gewerblichen Personenschiffahrt. Sie sehen - zu Recht oder Unrecht - in den Traditionsschiffen weniger die Kulturzeugen als vielmehr Wettbewerber in einem hart umkämpften Markt.
Wer Menschen transportiert, ist für ihre Sicherheit verantwortlich. Deshalb müssen die "Gewerblichen" nachweisen, dass ihre Schiffe und die Besatzungen den zahlreichen, kostenträchtigen Vorschriften entsprechen, die von den zuständigen Behörden zu diesem Zweck erlassen wurden. Dass sie argwöhnisch darüber wachen, ob die vermeintliche Konkurrenz die selben Auflagen erfüllen muss, ist nur verständlich.
Dieser Konflikt zwischen Betriebswirtschaft und Kulturpflege besteht in allen Ländern der EU. So versuchte ursprünglich jedes Land für seinen Bereich einen Kompromiss zu definieren um Traditionsschiffen eine Erwebsmöglichkeit zu bieten, ohne die gewerbliche Schifffahrt zu belasten und ohne die Sicherheit der Fahrgäste zu beeinträchtigen. Das führte jedoch zu einem Wirrwarr nationaler Regelungen mit Ge- und Verboten mit der Folge, dass ein Traditionsschiff nach den Regeln eines Landes keine Fahrterlaubnis in einem Nachbarland bekam. Hier in Flensburg sorgen unterschiedliche Vorgaben deutscher und dänischer Behören immer wieder für Kopfschütteln.
Die EU-Kommission startete vor etwa 20 Jahren einen Prozess, mit dem Ziel einheitlicher Regeln für die EU-Länder. Hierbei blieb zunächst der Bereich der Traditionsschiffe ausgeklammert, der sollte einstweilen in jedem Land separat geregelt werden. Jedoch sollten die Länder diese Regeln untereinander als gleichwertig anerkennen. Zusätzlich wurde vereinbart, bis Anfang dieses Jahres ein einheitliches Regelwerk einzuführen. Der für Deutschland gültige Entwurf wurde, diesem Zeitplan folgend, mit den Interessenvertretern der betroffenen Parteien diskutiert und schließlich an die EU-Kommission gesandt. Die hat inzwischen dem Entwurf zugestimmt. Mit der neuen Verordnung sollen die bauliche Beschaffenheit, der Brandschutz, die Ausrüstung und die Qualifikationen der Crews von Traditionsschiffen strenger geregelt werden. Dies alles bedeutet, dass die gemeinnützigen Betreiber der Traditionsschiffe noch mehr Geld ausgeben müssen: für Ausrüstung, Umbauten Zertifikate und Schulungen. Von der zusätzlich benötigten Zeit für die Projekte, Ausbildungen und Prüfungen ganz zu schweigen.
In Deutschland wurden die Bestrebungen, eine neue Sicherheitsrichtlinie einzuführen, von einigen Traditionsschiffern vehement bekämpft. Sichtbares Zeichen hierfür waren alte Segelschiffe, die schwarze Flaggen als Zeichen für den Protest zeigen und Demarchen von Politikern der Küstenländer. Ihnen machen mögliche Einbußen des Tourismus Sorge. Der Streit erreichte sogar den Bundestag und den Bundesrat. Wenn es ein Thema bis dahin geschafft hat, ist es am Ende der (legale) Eskalationsleiter angekommen.
Gestern sollte in Berlin ein Gespräch mit dem zuständigen Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur stattfinden, um einen Kompromiss zu den weiterhin widerstrebenden Forderungen von Traditionsschiffern zu finden. Der Minister ließ sich von einem seiner Staatssekretäre vertreten. Es heisst, der Minister habe finanzielle Unterstützung angeboten.
Am Wochenende startet hier in Flensburg wieder die Rumregatta. Mal sehen, ob die Sicherheitsrichtline auch hier für Aufregung sorgt, wie schon auf dem Hafengeburtstag in Hamburg in diesem Frühjahr.
PROVIDENTIA |
Wer jetzt auf den Gedanken kommt, Entscheidungen zur Sicherheit auf Traditionsschiffen würden nur Eigner derartiger Schiffe in Deutschland oder Europa auf die Palme bringen, sollte einen Blick nach Norwegen richten. Das Land ist bekanntlich kein EU-Mitglied und dennoch für viele Menschen ein Beispiel bürgernaher Politik und Verwaltung:
Norwegische Facebook-Seite "Trebåtelskere" (Holzbootfreunde) berichtet von der SAGA OSEBERG, einem authentischen Nachbau eines Wikingerbootes.
Dessen Betreiberverein (båtlaget) hat ein Schreiben des norwegischen Schifffahrtsamtes erhalten, in dem untersagt wird, das Schiff zu benutzen, so lange keine Haupt-Antriebsmaschine eingebaut ist und beispielsweise "Hinweisschilder für den Notausgang" fehlen.
Dazu ist interessant zu wissen, dass die SAGA OSEBERG so weit irgend möglich nach denselben Methoden gebaut wurde, wie sie Wikingern zu ihrer Zeit verfügbar waren. Sie wurde mit dem Königspaar als Taufpaten im Jahr 2012 zu Wasser gelassen. Das Schiff wurde (nach norwegischen Regeln) als Sportboot registriert.
In dem Schreiben der Schiffahrtsdirektion wird u.a. ausgeführt, "dass Segeln und Rudern eine Tätigkeit ist, die hohe Anforderungen stellt, weswegen das Schiff mit einer Haupt-Antriebsmaschine ausgerüstet werden muss, die es in ruhigem Wasser ordungsgemäss und sicher und ohne Beteiligung der Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 6 Knoten zu bewegen in der Lage ist."
Weiterhin werde die Art des Schiffes je nach Zweck der Anwesenheit der Menschen an Bord eingestuft. Dazu heisst es sinngemäß: "Wenn sich Mitglieder des Betreibervereins SAGA OSEBERG an Bord befinden, handelt es sich bei dem Nachbau des Wikingerbootes um ein Frachtschiff. In allen anderen Fällen (Schulklassen, Vereine, Gast-Crews, Firmen) handelt es sich um ein Passagierschiff."
(Quelle:NRK, norwegischer Nachrichtenkanal)
Gut an der Sache ist, dass die Nachricht erst jetzt, nach Abschluss der Prüfung in der EU-Kommission und dem Bundesministerium bekannt wird. Denn bekanntlich gilt: "Nichts auf der Welt kann eine Idee aufhalten, deren Zeit gekommen ist!"