04.09.15 Werfttage
















Auf der Helling dicht an dicht platziert: PROVIDENTIA (li.) und
WIEBKE BOHLEN (re.); sie hat den Klüverbaum eingezogen.
Beide unterscheiden sich in vielen Merkmalen:
Länge: 20,45m/12,68m
Alter: 1895 / 1902 bzw.1987
Verwendung: Hochseefischkutter / Kreuzerjacht
Ursprung: Deuschland  / Norwegen

FRIEDAs neues Heck ragt hoch über dem neuen Achtersteven
Alle Jahre wieder müssen Holzschiffe "auffe Werft" - für Routinearbeiten unterhalb der Wasserlinie, als da sind: Reinigen, kontrollieren, anmalen, schützen. So auch WIEBKE BOHLEN. Den Termin hatten wir schon vor Monaten vereinbart. Das gibt ein bisschen Sicherheit in der Planung. Aber ein Notfall eines Fischkutters genügt, um die Planung über den Haufen zu werfen. Ein Notfall: das kann ein Leck sein oder ein Problem mit der Ruderanlage. So was kommt immer wieder vor und wenn, dann plötzlich. In diesem Jahr blieben wir vom Pech Anderer verschont. So konnten wir uns eine ganze Woche lang unserem Schiff widmen. Auf dem Programm stand auch, das Freibord zu schleifen und zu malen. Daraus sollte nichts werden, Petrus war dagegen. Seinen Widerwillen setzte er mit häufigen Regenschauern durch. Wer einmal versucht hat, einen Schiffrumpf unfreiwillig nass zu schleifen, weiß, wie das geht - nämlich garnicht. Also verschoben wir diese Schönheit erhaltende Maßnahme auf später und begnügten uns damit, eine Handspanne oberhalb des Wasserpass zu schleifen und zu lackieren. Der Rest kann auch von einem Schlauchboot (geht einigermaßen) oder Arbeitsfloß (geht gut) zu erledigen. Allerdings sollten dann nur von Hand geschliffen werden. Es dauert zwar etwas länger, aber man kann das Ende noch erleben. Nimmt man Elektrowerkzeuge zu Hilfe, ist das nicht garantiert.

Die Rumpfkonstruktion (hier das elliptische Heck) ist jetzt
neuwertig. Die Spanten und Planken werden im Heck durch
Metallbügel verbunden. Sie ersetzen die ursprünglichen Worpen.
Das sind Holzblöcke, die sich innen an die Planken und Spanten
anschmiegen und mit diesen verbolzt sind.
Diese Stelle, immer schwierig zu belüften, ist ein Paradies für
Holzschädlinge und eine typische Problemzone von Haikuttern.
Bei FRIEDA kann die trocknende Luft jetzt besser wirken.
Schlechtes Wetter hat auch seine guten Seiten. Wenn wir die geplante Arbeit unterbrechen müssen, können wir uns die Arbeit der Anderen ansehen. In diesem Jahr sind die Anderen: FRIEDA (immer noch) und PROVIDENTIA (wieder einmal). Über die Restauration des Snurrewadenkutters FRIEDA haben wir in den HAFENMELDUNGEN bereits früher in mehreren Etappen berichtet. FRIEDA gehörte von 1979, als der Museumshafen Flensburg gegründet wurde, bis vor drei Jahren zu dem Traditionsschiffsverein. In den letzten Jahren machte sich ihr Alter bemerkbar. Wer genau hinsah, vermisste den spannungsgeladenen Deckssprung, der Snurrewaden- bzw Haikutter auszeichnet. Das lang überhängende Heck war abgesackt. Das Schiff hatte einen so genannten "Witwenbuckel" bekommen. Entsprechend hatte sich die Kielsektion
verformt. Auch hatten etliche Planken das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Alles Kalftern und Rabatten konnte nichts an der bitteren Tatsache ändern: Das Schiff musste strukturell von Grund auf saniert - oder aufgegeben werden.
Dann kam, was heute nicht mehr so selbstverständlich ist wie vor etlichen Jahren, ein Enthusiast der FRIEDA komplett restaurieren wollte und es auch tatsächlich machte. Nun sind die Arbeiten am Rumpf zu großen Teilen erledigt und der letzte Bauabschnitt kommt langsam näher. In diesen Tagen wurden die Nähte der Rumpfplanken am neuen Heck kalfatert. An Deck gehen die Arbeiten an den Deckshäusern zügig voran. Die vorgesägten Laibhölzer für das Deck liegen auch schon bereit. Das Schiff ist jedoch nicht nur restauriert worden. Einige Maßnahmen zielen auf Verbesserung andere auf eine  Nutzungsänderung.So wurde der neue Kiel durch einen Schuh aus Stahl versteift, der, mit Blei gefüllt, den bisherigen Innenballast überflüssig macht. Vor- und Achtersteven wurden bis zur Wasserlinie durch eine Stahlstruktur versteift. Die Worpen im Heck wurden durch Metallkonstruktionen ersetzt. Last but not least wurde der gesamte Rumpf bis zur Wasserlinie mit Aluminiumblech beplankt. Einige geplante Verbesserungen sind noch nicht zu erkennen, aber das Projekt ist ja auch noch nicht abgeschlossen.
Im Bereich des Vorschiffs wurden die
untersten Planken der PROVIDENTIA
entfernt, eine Arbeit, die ganze Männer
fordert. Die Planken sind aus Eiche und
etwa acht Zentimeter dick. Sie sind
mit Bolzen und Nägeln an den Spanten
aus  Eiche befestigt.
PROVIDENTIA ist der letzte Hochseekutterewer. Als Ewer hat 
der Rumpf die typische Form mit dem untergesetzten
"Kasten".
Ursprünglich hatte das Schiff keinen Maschinen- 
antrieb. Deswegen wurde vor vielen Jahren die gesamte
Ruderanlage durch eine Stahlkonstruktion ersetzt und der
Achtersteven für die Schraubenwelle durchbohrt. Er ist
seitdem durch Laschen aus Stahl versteift.
Auch dies zeigt eine Spur maritime Geschichte, gezogen
von der fortschreitenden Motorisierung zu Anfang des
20. Jahrhunderts.

Da es, wie gesagt, ziemlich häufig regnete, konnten wir auch die Arbeiten an PROVIDENTIA betrachten. Das Schiff ist eines der vier letzten Hochseekutter, die im Schiffshistorischen Archiv genannt werden. Wir beobachten ihr Werden und Vergehen auf der Werft von Christian Johnson schon seit mehr als 15 Jahren. Seit sie von der Ostseeschule übernommen wurde, hat sich ihr Zustand fundamental verbessert. In diesen Tagen werden Planken unter und über Wasser abgedichtet und ausgetauscht. Darunte einige, die nicht älter als fünfzehn Jahre sind. Aber die konsequente Vernachlässigung durch frühere Eigner rächt sich und trifft jetzt die Falschen. Wie sagt man? "Das Leben ist hart aber ungerecht". Das gilt auch für Schiffe und ihre Eigner.