22.11.15 Meister und Werk

Der Modellbauer Adolf  "Adi" Born ist bei Liebhabern historischer Schiffsmodelle weit über Flensburgs Grenzen hinaus bekannt. Zahlreiche Modelle unterschiedlicher Größe schmücken Schiffahrtsmuseen und Wohnungen von Freunden der Traditionsschiffe. Genauer gesagt: von historischen Segelschiffen. in großem und kleinem Maßstab. Bei jedem sagte man, es sei das Beste, was man je gesehen habe und eine Steigerung sei nun nicht mehr möglich. Das war jedesmal ein Irrtum. Aber bei seinem neuesten Modell bleibt nun tatsächlich nicht mehr viel Luft nach oben.
Es ist das Modell der GJØA, mit der Roald Amundsen als erster die Nordwestpassage bezwang, also den Seeweg im Norden des Amerikanischen Kontinents. Es war im Jahr 1908, als er zusammen mit fünf anderen Männern nach drei Jahren Nome in Alaska erreichte. Das originale Schiff, eine Hardangerjakt  steht heute im Fram Museum in Oslo. Bevor Amundsen das Schiff im Jahr 1900 kaufte, war es 28 Jahre im Fischhandel eingesetzt.
In diesen Tagen legt Adi letzte Hand an sein neuestes Meisterwerk. Wie üblich sind alle Bauteile bis ins kleinste Detail von Hand selbst hergestellt und voll funktionsfähig. In allen Blöcken, groß und klein, drehen sich Scheiben mit einer Nut im für die jeweiligen Leinen und Taue passenden Maß. Die dünnsten Leinen messen weniger als einen Millimeter. Kauschen aus Messing sind von Hand seemännisch korrekt eingespleißt. Das läßt sich Adi nicht nehmen, schließlich ist er jahrelang vor dem Mast und auf der Brücke zur See gefahren. Wer sich seine Hände ansieht, glaubt das aufs Wort. Trotzdem gelingen ihm die kleinsten und feinsten Arbeiten. Aber Serien unzähliger Teile in gleicher Präzision anzufertigen, ist immer wieder eine große Herausforderung für ihn. Dagegen freut er sich jedesmal darauf, die Segel von Hand zu nähen- Stich für Stich, auch die Lieken. Sogar die Lögel sind, wie beim Original, angenäht. Auch bei der Decksausrüstung kennt er keine Kompromisse. Das Pumpspill, also die "Ankerwinde" ist voll funktionsfähig. Die Bewohner von Liliput aus Gullivers Reisen könnten ohne weiteres mit dem Modell davonsegeln und würden nur wenig Ausrüstung vermissen.
Das Modell hat Adi nach alten Plänen gebaut. Die waren aber nicht zweifelsfrei eindeutig. Das ist kein Wunder. Zum Einen waren die Unterlagen so genannte Blaupausen. Auf denen bleicht die Schrift und die Linien mit den Jahren aus und werden unleserlich. Zum anderen wurden Schiffe zu der Zeit nicht genau nicht immer nach detaillierten Vorgaben gebaut. Viele Pläne wurden je nach Erfahrung der Bootsbauer frei interpretiert. Fehler im Plan blieben dadurch verborgen. Wenn der Auftraggeber kurzfristige Änderungswünsche hatte, hinterließen diese oft keine Spur in den Plänen. Um so wichtiger, dass der Modellbauer das Bootsbauer-Handwerk versteht und sorgfältig recherchiert. Der Zeitaufwand hierfür ist beträchtlich. So kommen für ein Modell dieser Qualität zahllose Arbeitsstunden zusammen. Reich werden kann er dabei nicht. Pro Stunde kommt dann oft weniger heraus als bei einem Ein-Euro-Job. Aber historischer Modellbau ist schließlich mehr als eine Arbeit für Geld, sagt Adi und wer ihn kennt, weiß, das er es ernst meint.