28.05.14 Schotten - Lyrik

Als wir vor langen Jahren "unser" Schiff suchten, sprach uns in dieser Suche ein Gedicht von Ciceley Fox Smith an:
Ob Schönwetter oder beigedreht,
Die Segel groß oder klein,
Ob im Norden oder Süden; ob vorm Wind
Oder Wind querein
ist egal. Doch ein richtiges Schiff-
Und ich werde zufrieden sein.
Ein besseres Motto hätten wir nicht wählen können. Und auch keine bessere Dichterin. Ihr Verlag formuliert "Much of her poetry was from the point of view of the sailor. The detailed nautical content of her poems made it easy to understand why so many readers presumed that Cicely was male." Es gab also schon vor einhundert Jahren Frauen, die wie Seeleute fühlten, was manchem heute noch ein Geheimnis ist. Damit begann die Geschichte der WIEBKE BOHLEN
Auch Schiffe können Geheimnisse bergen. Manche waren an schrecklichen Ereignissen beteiligt, man denke nur an die Zeiten der Weltkriege. In mancher Bilge schlummern wertvolle Dinge, die dort verloren gingen und vergessen wurden. Andere bergen fröhliche und ein wenig skurrile Geheimnisse. Es kann sein, dass unser Schiff zu der dritten Kategorie gehört.
In dieser Woche begegnete ich einem Bootsbauer und unterhielt mich über - na, was schon? Richtig! Bald kam das Gespräch aufs Segeln und Holzschiffe. Ob ich denn auch segle, und ob ich gar ein eigenes Schiff habe? Wo es gebaut sei? Die üblichen Fragen in diesen üblichen Unterhaltungen. Dazu die üblichen Antworten: "ja", "ja", "in Norwegen". Die Augenbrauen gehen hoch, künden von Interesse. "Auf welcher Werft?" "bei Djupevag". Und jetzt kommt's. Statt des üblichen ratlosen "Ach, ja?" kam die Antwort "Da habe ich gearbeitet."
Überflüssig zu erwähnen, dass der Rest des Gesprächs sehr interessant wurde. Ob ich denn schon einmal die Querschotten ausgebaut hätte, wollte mein Gesprächspartner wissen und legte damit die Spur zu dem möglichen Geheimnis: Ein Sohn des Werfteigners, der selber Bootsbauer und ein bisschen wunderlich sei, sagte er, habe Gedichte verfasst und diese an verborgenen Stellen in den Neubauten verewigt. Das wären oft die Schottwände gewesen.
Nun, die Schottwände haben wir nie demontiert und auch die Vorbesitzer nicht. Das zu tun, wäre auch schändlich gewesen, denn sie sind als Täfelung aus Eichenholz gestaltet, und wer wird eine solche schöne Handarbeit zerstören? Außerdem gehören sie zum Schiff, wie der Rumpf und das Rigg. Aber nun, wo die Neugier geweckt wurde?
Ach, was. Unser mögliches Geheimnis gehört jetzt auch zum Schiff, genau so wie die Schotten samt ihrer Lyrik.


Schottwand zum Maschinenraum