22.05.14 Fock mit Baum

Mancher kann die Begeisterung für alte Gaffelsegler nicht teilen. Soo viele Strippen, dazu die Flaschenzüge und die schweren  Stangen. Alles aus Holz. Wer soll das denn nur immer pflegen?
Wer so denkt, kann gerne auf moderne Kunststoffjachten mit klappernden Drahtfallen im Aluminiummast und teuren Winschen ausweichen. Jede Leine hat nur eine Funktion und wer dann immer noch die Übersicht verliert, braucht sich nur zu merken: Der Barber Hauler ist rot gestreift.
Womit wir bei den Vorsegeln wären. Es gibt allerdings einen Vorteil moderner Segelschiffe, den man auch als eingefleischter Traditionalist anerkennen muss. Die Fockschot hat auf heutigen Segeljachten in der Wende weniger Möglichkeit, festzuhaken.
Diese Belegnägel fangen sich die Fockschoten
in jeder Wende und Halse
Man ahnt ja kaum, wie fantasievoll diese Leinen sein können, wenn es darum geht, ein Manöver gründlich zu versauen. Unsere bleiben mit Begeisterung an den Belegnägeln am Großmast hängen. Das wäre leicht zu verhindern, wenn man die Halter einfach absägte. Allerdings sprechen zwei Gründe dagegen:
  1. Wer wird denn solch einen schönen alten Beschlag verschandeln?
  2. Die Fallen müssten an einer anderen Stelle belegt werden und die Schoten würden dort einfach weitermachen
Weil das  so ist, musste bisher bei Wenden und Halsen immer jemand nach vorne und die flatternden Leinen auf den rechten Weg bringen. Das ist im günstigsten Fall lästig, bei grobem Wetter gefährlich.
Das Problem wäre mit einer Selbstwendefock zu lösen. Dagegen sprechen allerdings die Kosten für einen Schotwagen auf dem Vorschiff. Der ist zudem eine üble Stolperfalle und die aufs Deck klappernden Blöcke sind ein bewährtes Folterinstrument.
Wir haben jetzt eine Baumfock ausprobiert und sind mit den Ergebnissen vollkommen zufrieden. Wenden und Halsen, bei wenig und bei viel Wind werden einhand gefahren und die Schot hat sich nirgends festgeklammert. Erfreulich ist der deutlich kleinere Wendewinkel auf der Kreuz.

Leider fanden wir für unseren Zweck wenig nützliche Informationen im Internet zu diesem Thema. Die meisten Beiträge schilderten alle möglichen theoretischen Probleme. Jedoch gab es wenig fundierte Beschreibungen oder Erfahrungsberichte. Der Fockbaum könne unkontrolliert steigen, wurde verschiedentlich vermutet und dann wäre das Segelprofil zum Teufel. Oft wurde gewarnt, dass der "Knüppel" unterschiedslos jeden vom Vorschiff prügelt, der ihm zu nahe kommt.
Beides blieb uns bisher erspart. Die Chancen, dass es dabei bleibt, sind nach den bisherigen Erfahrung sehr gut.
Manche Beiträge befassten sich mit der Frage, wo der beste Punkt für das Lümmellager des Fockbaums ist. Es ist tatsächlich so, dass ein nach hinten versetzter Drehpunkt bewirkt, dass der Zug auf das Unterliek bei dichten Schoten größer wird und damit das Segelprofil flacher. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Drehpunkt direkt unter dem Vorliek der Fock
auf allen Kursen zu einer gleich guten Strömung führt - wie die Windfähnchen (tell-tales) am Vorliek der Fock anzeigen.

Eine Einschränkung hat die selbstwendende Baumfock aber doch: Man kann das Segel nicht backstehen lassen, womit wir bisher die Wenden unterstützt haben. Jedoch gehen die Wendemanöver jetzt erheblich schneller. Deswegen ist dieser Trick nicht länger nötig. Zum Beiliegen reicht ein backstehender Klüver vollkommen aus.

Die Versuchsversion:
Eine gebrauchte Genua und Holz vom Baumarkt
Der Fockbaum wird an einer kleinen Klau auf der Spannschraube des Vorstags geführt. Das Unterliek wird durch einen Strecker eingestellt. Der Baum ist leicht und lässt zwischen Nock und Großmast genügend Platz  für einen gefahrlosen Durchgang. Um den Fockbaum nicht auf Biegung zu belasten, zieht die Schot an der Achse der Scheibe für den Unterliekstrecker. Das Schothorn wird durch ein Rack auf den Baum gezogen. Die Schot wird über zwei Blöcke am vorderen Deckshaus geführt. Sie sind weit genug auseinander, dass der Baum nur wenig steigt, aber weit genug von der Reling entfernt, dass die Schot dort nicht schamfielt. Von dort läuft sie durch einen Block am Fockbaum. Alle Blöcke sind Klappläufer. Auf einer Seite der Fockschot ist hinter der Leitöse eine Streckertalje fest angeschlagen. Sie übernimmt die Funktion der Schotblöcke an einer normalen Fock. Das Vorliek und das Achterliek sind länger als das der normalen, überlappenden Fock. Deswegen ist die Segelfläche nur einen halben Quadratmeter kleiner.
Die ganze Einrichtung wurde von uns zunächst für einen Versuch entwickelt, ohne weitere Änderungen am Schiff. Der Versuch sollte wenig kosten und der vorherige Zustand sollte jederzeit wiederhergestellt werden können. Hätte das Ergebnis nicht befriedigt, hätten wir immer noch an Erfahrung gewonnen. Aber wir sind mit unserem Versuch sehr zufrieden und werden die Baumfock behalten. Vielleicht werden wir sie in einem späteren Schritt mit einer Reff-Möglichkeit versehen. Aber wir können auch eine Sturmfock auf herkömmliche Weise anschlagen.

P.S. ein kleiner Tipp zum Schluss: Es hat sich bewährt, vorm Segelsetzen den Unterliekstrecker  zu lösen.