"'Haithabu ist eine sehr große Stadt am äußersten Ende des Weltmeeres', schreibt der arabische Chronist Ibrahim ibn Ahmed At-Tartûschi um 965 in seinem Reisebericht über Haithabu." So beginnt der Artikel in WIKIPEDIA über den Ort nahe bei Schleswig am Haddebyer Noor. Er fährt fort: "Fast dreihundert Jahre lang hatte Haithabu die Schlüsselposition im Warenumschlag zwischen Nord- und Ostsee inne, schließlich waren von diesem Ort nur 18 Kilometer Landweg zu bewältigen, um über Treene und Eider die Nordsee zu erreichen. Mit dem Ende der Wikingerzeit, um die Mitte des 11. Jahrhunderts, gingen seine Funktionen an das am Nordufer der Schlei gelegene Schleswig über." Die Wikinger, unter anderem bekannt für ihre damals führende Technologie im Schiffsbau, hatten auch hier ihre schnellen Ruder- und Segelboote gebaut, mit deren Hilfe sie wirtschaftlich und militärisch die Küsten und Flüsse weiter Teile Europas, bis hin nach Vorderasien bereisten und auch zeitweise beherrschten. Kein Wunder, dass dieses Thema in der Region und weit darüber hinaus viele Menschen interessiert.
Heute Vormittag war das Wikingermuseum in Haithabu bei Schleswig Ziel hunderter Besucher. Viele sind in Kleidern erschienen, die historischen Funden aus dem frühen Mittelalter entsprechen. Aus selbstgesponnener, gefärbter und gewebter Schurwolle von Hand genäht (heute ist auch der beliebte Wikingermarkt). Ganze Familien wie aus der Zeit vor eintausend Jahren. Neben Deutsch und Dänisch sind Englisch und andere Sprachen in dem Stimmengewirr in der Menge zu hören. Ist das Museum an Wochenenden oft gut besucht, sorgte heute ein besonderer Anlass für einen regen Besucherstrom: Ein nach originalen Plänen und in zeitgenössischer Handwerksarbeit gebautes Wikingerboot sollte zu Wassser gelassen werden, das erste nach eintausend Jahren an dieser Stelle.
Das Museum bietet schon seit Jahren zahlreiche informative Aktionen, die uns Menschen von heute das Verständnis für Leben und Arbeit im frühen Mittelalter an dieser Stelle näher bringen. So sind Handwerker unterschiedlichster Art zu sehen, die mit Methoden der damaligen Zeit arbeiten, die heute schon fast nicht mehr bekannt sind, aber hier mit wissenschaftlichen Methoden "nacherfunden" werden.
In diesem Jahr ist mit dem Nachbau eines Wikingerbootes ein ganz zentrales Projekt hinzugekommen. Und heute sollte es getauft werden (was es damals freilich nicht gab) und vom Stapel laufen.
Es war nicht ganz einfach, einen unverstellten Blick auf das Schiff zu werfen, es war ständig dicht umlagert. Links ist der Vorsteven zu erkennen, der bis zu den Nahtstellen der Planken aus einem einzigen Eichenklotz besteht. Auch die Spanten und Wrangen sind in Form gewachsene Stücke aus Eiche. Das Boot bietet Platz für 12 Menschen, davon bis zu zehn an den Riemen ("Rudern") und wiegt dennoch nur 800 Kilo.
Der Stapellauf ist durchaus wörtlich zu vestehen. Die Helling - also der Bauplatz - unter dem Zelt auf dem Bild oben links im Hintergrund liegt etwa einhundert Meter von der Schiffslände entfernt. Das Boot wurde von vierzig starken "Wikingern" dorthin getragen, wo es den Namen ERIK STEUERMANN erhielt. Ein kleiner Bub, Thore, heisst er, durfte das Namenschild am Heck anbringen. Anschließend glitt ERIK STEUERMANN unter dem Applaus der Zuschauer in sein zugedachtes Element.
Noch Stunden danach konnten wir es, voll bemannt, bei seinen ersten Proberunden beobachten.
Auch wenn uns die Methoden und Werkzeuge der frühen Bootsbauer sehr schlicht erscheinen mögen, auch sie hatten offenkundig schon einen starken Willen zu schönen Formen und angemessenem Schmuck.
So hätte ein zeitgenössischer Stapellauf damals aussehen können.
Spaß durfte auch nicht zu kurz kommen: Der Bootsbauer wird samt seinem Boot von achzig starken Armen in die Höhe gerissen, bis er frei über dem Rumpf schwebt - durchaus angemessen, ist er doch im normalen Leben Flugzeug-Ingenieur.
Nun ist es vollbracht. Das Boot schwimmt. Wir wünschen allzeit gute Fahrt!
Weitere Bilder gibt's auf hafenmeldungen.tumblr.com
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