27.07.16 Spätsommer im Juli




















Für uns macht es einen Unterschied, ob während einer langen Reise an ein paar Tagen Regen fällt, oder ob wir bei Regen zu einem Kurzausflug aufbrechen. Die letzten Wochen waren entweder zu nass oder zu heiß oder oder beides. Also war es nix mit Segeln. Schließlich gibt es auch noch ein Leben an Land.
Als wir am Dienstagmorgen die Leinen unserer WIEBKE BOHLEN lösen, um ein paar Stunden auf dem Wasser zu verbringen, streicht schon ein Hauch von Spätsommer über die Förde. Zwar ist es sommerlich warm, aber am Himmel zeigen sich Wolkenbilder, die eigentlich eher in den September passen. Doch die Vorhersagen waren günstig. Westliche Winde, drei bis vier Beaufort, Böen um fünf, Regenwahrscheinlichkeit 40 Prozent. 
Wir wußten nicht, dass der Wind die Vorhersage "westlich" recht großzügig auslegen und sich Dreher von 90 bis 120 Grad erlauben würde. Sowas kann man mit einer Jolle bei wenig Wind noch einigermaßen aussegeln. Aber ein Langkieler muss in diesem Fall immer wieder mal auf die nächste Drehung warten, während der Klüver mit den Schoten wedelt. Es ist jedesmal eine Wette mit der Böe. Kaum folgt man der Drehung, überlegt sie es sich schon wieder anders und der Wind bleibt komplett weg oder dreht abrupt zurück. Herausforderungen muß man annehmen. Es gibt ja immer nur das Wetter, das man gerade hat. 
Diesmal setzten wir die Segel weiter südlich in der Hafenspitze. Das geht bei uns am besten am Wind und auf Backbordbug. Danach wollen wir mit einer Halse auf Kurs Hafenausfahrt drehen, aber der Wind dreht mit und dann ist der Hafen schon fast zu schmal für die schnell eingeleitete Wende. Jetzt, auf Steuerbordbug dreht natürlich wieder zurück auf Südwest (in der Hafenspitze), dann West (beim Museumshafen) und sogar auf  Nordwest (bei der Werft). Bei der Hafenausfahrt weht er schon zeitweilig aus Nord - und das an der engsten Stelle. Und wie bestellt, kommen auch noch die Ausflugsschiffe. Sie nehmen, wie üblich, große Rücksicht auf uns Segler. 
Jetzt, auf der Förde lässt der Wind zur Abwechslung nach, zeitweilig hängen die Segel schlaff herab. Von Südwest wälzen sich dramatische Wolkenkulissen über die Grenzregion. Mittags, wir haben es immerhin schon bis zu den Ochseninseln geschafft, fallen aus tiefliegenden dunklen Wolken Regenschleier über Flensburg. Während die Stadt hinter einer dunklen Wand verschwindet, leuchtet das dänischen Ufer noch hell in strahlendem Grün bis auch dieses Leuchten vom Wolkenschatten ausgelöscht wird. Noch strahlen Segel einzelner Boote vor dem jetzt schwarzgrünen Ufer, bald sind auch sie im Schatten verborgen. Erste Tropfen malen dunkle Flecken auf das helle Deck.
Wir segeln mit langen Kreuzschlägen vor dem Wind in Richtung Holnis Enge. Das ist für uns sicherer, weil wir bei dem drehenden Wind leichter ausweichen können. Obwohl die Strecke länger ist als genau vor dem Wind, sind wir dennoch vermutlich schneller. Aber wer weiß das schon genau? Wir sind noch nie im Windkanal gesegelt. Außerdem haben wir es wieder mal überhaupt nicht eilig.

Es ist nun schon früher Nachmittag. Bei Holnis Enge sehen wir den Logger PIROLA aus dem Museumshafen. Er segelt hoch am Wind dicht unter Land und kürzt den Weg nach Flensburg damit ein wenig ab. Hell leuchten seine Segel herüber, bis auch sie vom Wolkenschatten verdunkelt werden. Jetzt legt der Westwind zu, wir nähern uns den Fahrwassertonnen. Wir entschließen  wir uns, den Rückweg anzutreten und wollen mit einer Wende auf Flensburg absetzen. Mit hart gelegtem Ruder nehmen wir die Schoten dichter und dichter. Jetzt müsste der Klüver eigentlich die Seite wechseln, aber der tückische Südwest dreht und kommt mittlerweile aus Südost. Also bleiben wir erstmal auf Raumschotskurs und geben Lose auf die Schoten. Nun dreht der Wind zurück, wir fahren die Halse zuende und gehen auf Südkurs. 

Jetzt ist es bereits Nachmittag. Obst und Brote, die wir für den Ausflug vorbereitet hatten, sind aufgegessen und vom Wind ist auch nicht mehr viel übriggebleiben. Nun kommen moderne Jachten und streben mit Maschinenkraft eifrig in die Förde hinein. Dazwischen einige Motorboote. Sie sind schnell vorbeigezogen und schon nicht mehr zu sehen. Aber immer noch kann man ihren Lärm hören und ihre Hecksee lässt die leichteren Boote mit klingelnden Fallen schaukeln. Manche verwechseln wohl Seemannschaft mit einem Fotoshooting und kommen extra nahe um ein paar Bilder zu ergattern. Dann ist der Spuk vorbei, alle Eiligen haben mittlerweile ihre Plätze in den Jachthäfen eingenommen.
Vor Kollund erkennen wir den 30-er Schärenkreuzer TABEA an seinem leuchtend roten Rumpf. Ab der Sonwik begleitet uns eine der Arendal Sjekten aus dem Museumshafen. Sie ist schneller, aber wir können mehr Höhe laufen und damit die Hafeneinfahrt bei Westsüdwest vor ihr passieren. Jetzt noch auf unseren "Catwalk", dicht an den Dalben des Museumshafens vorbei. Dann fallen die Segel und der schöne Ausflug in den herbstlichen Sommer ist zuende.