Gaffelsegler sind nach dem Verständnis ihrer Freunde "segelnde ehemalige Berufsfahrzeuge". Sie bilden eine Schnittmenge mit den Traditionsschiffen, zu denen natürlich auch ehemalige segelnde Berufsfahrzeuge gehören, deren vorherrschende Segelform eben nicht von einer Gaffel bestimmt ist. Dazu zählen Rahsegel genau so, wie Lugger-, Spriet- und Lateinersegel. Letztere findet man in unseren Breiten jedoch eher selten. Ehemalige segelnde Berufsfahrzeuge mit Hochtakelung sind eher verpönt, solche, die zu Zeiten der Berufsfahrt überhaupt keine Segel hatten, dagegen nicht. Und als wäre das nicht schon verwirrend genug, kommt hier noch eine weitere Definition, aus berufener Feder:
"Das Piekfall ist das Mitteilungsblatt der Freunde des Gaffelriggs, ein Zusammenschluss von EignerInnen, SeglerInnen und LiebhaberInnen traditioneller Segel-, Dampf- und Motorschiffe." *), **)Wie gesagt, Individualisten eben. Entsprechend gibt es keine formelle Mitgliedschaft und keinen Vorstand. Weiter im Zitat:
"Jeder ist aufgefordert, sich in die Aktivitäten ehrenamtlich einzubringen. Die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme untereinander bieten außer dem Piekfall auch das Wintertreffen, die Rum-Regatta in Flensburg und die Rhinplatte-Rund-Fahrt auf der Elbe. Das Piekfall erscheint in gedruckter Form dreimal im Jahr. Wer es regelmäßig aktuell lesen möchte, erfährt mehr dazu unter www.freunde-des-gaffelriggs.de"
Die Freunde des Gaffelriggs haben es bei aller Individualität tatsächlich geschafft, seit Jahren ihr Mitteilungsblatt mit vielen zeitlos aktuellen Artikeln herauszugeben.
Gestern war also das Wintertreffen der Gaffelfreunde. Diesmal traf man sich im Flensburger Schifffahrtsmuseum.
Grob geschätzt waren sechzig Männer und wenige Frauen der Traditionsschiffsszene zusammengekommen. Ein Blick in die Runde erklärt, warum das Hauptthema in diesem Jahr "Nachwuchsförderung" heisst. Die Haare der meisten Teilnehmer sind silbergrau oder weiß. Viele, die noch vor wenigen Jahren die Säle füllten sind diesmal nicht dabei. Die Szene ist alt an Jahren und die Frage liegt nahe, wann den beliebten Oldtimer-Regatten Schiffe und Schiffer ausgehen. Vorher sind der Redaktion des PIEKFALL bereits die ehrenamtlich Aktiven ausgegangen. "Wir können nur über Sachen schreiben, die ihr beitragt" wird geklagt und es sieht nicht so aus, ginge ein Ruck durch die Reihen.
Der fehlende eigene Beitrag der Individualisten ist wohl auch ein Thema in den Museumshäfen und bei den Schiffseignern. Wer die Verkaufsanzeigen der einschlägigen Internetportale anschaut, sieht viele in der Szene bekannte Schiffe. Manche kommen durch Eignerwechsel vom Regen in die Traufe, sind aufgelegt. Presseberichte über in Häfen oder sogar auf See gesunkenen ehemalige Berufsfahrzeugen tauchen leider immer wieder auf. Es ist also höchste Zeit, junge Menschen für alte Schiffe zu begeistern.
Drei Vorträge zeigten, auf welchen Wegen der Generationenwechsel der Traditionsschiffsszene möglich sein kann. Ein Museumshafen versucht eine Kooperation mit Schulen am Ort und bietet unter anderem Segelunterricht um die Schüler überhaupt erst einmal aufs Wasser zu locken. Der Museumshafen Flensburg hat in den letzten Wochen das Projekt "Elbfischer GRETA" gestartet, über das wir hier mehrfach berichteten. Mittlerweile hat der erst vor zwei Wochen gegründete Förderverein schon 250 Mitglieder und wir erfahren, dass die Rumpfplanken kalfatert sind und die Förderer sich Schabern und Kratzeisen daran machen, den überschüssigen Teer zu entfernen. Der unkonventionelle Bericht der jungen Förderin (sie lächelte begeistert, während sie sprach) wirkte wie ein Frühlingswind. Möge ihr Schwung erhalten bleiben!
Am weitesten fortgeschritten erscheint das Konzept des Vereins MYTILUS, Verein zur Erhaltung und Nutzung eines historischen Segelschiffes für Pfadfindergruppen e.V. Das ist kein Wunder, denn zum Ersten ist er seit Beginn vor 33 Jahren auf Segeln mit Jugendlichen angelegt. Mittlerweile segelt schon die dritte Generation junger Menschen auf dem alten Elbfischkutter. Und zum Zweiten wendet er sich in erster Linie an Jungen und Mädchen, die als Pfadfinder sozialisiert wurden. Während andere Traditionssegler sich noch durch Reisen mit sozial Auffälligen finanzierten, baute der Verein MYTILUS, von anderen Traditionschiffsfreunde oftmals misstrauisch bis herablassend beäugt, auf klare Strukturen. Viele Traditionsschiffer hielten ihre antbürgerlichen Ideale hoch, der Verein MYTILUS setzte auf Eigenverantwortung, Naturverbundenheit und eine gemeinsame Kultur der Jugendlichen. Das Jahr der MYTILUS beginnt immer am ersten Mai mit einem öffentlichen Tag um sich auch Interessenten zu präsentieren, dauert ca. 180 Tage mit Reisen in der Nord- und Ostsee und endet im Herbst mit Ausbildungstörns und dem alljährlichen Herbsttreffen. In den letzten Jahren waren Reiseschwerpunkte in den west- und ostschwedischen Schären, Reisen nach Norwegen und Finnland wurden auch schon unternommen. Neben Arbeiten an und mit dem Schiff spielt Geselligkeit eine große Rolle, auch im Winter. So entstand beispielsweise ein Funktionsmodell der MYTILUS, an dem die Fallen und Schoten schon mal im Kleinen bedient und damit verstanden werden können.
MYTILUS ist auch immer wieder Gast im Museumshafen und nimmt regelmäßig an der Rum-Regatta teil.
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Um der allgemeinen Verwirrung noch ein wenig auf die Sprünge zu helfen, hier zwei nicht ernstgemeinte Anmerkungen:
*) Für Leser, die es gerne etwas einfacher hätten: Man kann Gaffelsegler auch an besonderen Wimpeln erkennen. Wenn sie korrekt geführt werden, sind sie am vordersten Mast auf der linken Schiffsseite (für Kenner: Backbord) zu finden. Darauf kann man sich bei Individualisten aber nicht immer verlassen. Spötter sprechen von "Blinden-" bzw. "Lahmen-" Wimpel nach dem jeweiligen Symbolen. Der mit der Krücke wird von den Freunden des Gaffelriggs geführt. Der andere zeigt die Zugehörigkeit zu der dänischen Træskibs Sammenslutningen (dänische Holzschiffsvereinigung). Der wird aber auch von Nicht-Dänen und von Nicht-Holzschiffen gezeigt, ob mit Segel- oder Maschinenantrieb. Also doch nicht ganz so einfach. Eben eher individuell.
**) Wir meinen: Bei soviel "...Innen" wäre es vielleicht nicht abwegig, den Zusammenschluss künftig "FreundInnen des Gaffelriggs" zu nennen.