"Whow", begann Thomas Overdick, Direktor des Schifffahrtsmuseums Flensburg, die Zusammenfassung und Danksagung nach dem Vortrag seines Kollegen Steve White, Leiter des Museums of Amerca and the Sea - besser bekannt als "Mystic Seaport". Trotz seiner Kürze fasste dieses Schlusswort alles zusammen, was die etwa 50 Anwesenden wohl selber dachten. Sie waren gekommen, um den Vortrag über die Restauration des Walfängers CHARLES W. MORGAN aus dem Jahr 1841 zu hören, den Steve soeben beendet hatte.
Mystic Seaport ist einer der großen Stätten, in denen sich die historisch gewachsene Identität der gesamten Nation manifestiert. Eine Nation, deren Enstehung, Wachstum und Größe (Steve hätte vermutlich an dieser Stelle das Wort "glory" gewählt) vom Leben an der See und mit der See bestimmt war und ist - und damit auch vom Walfang. Steve sagte zuvor "whaling had tremendous impact on american identity". Und das mehr als zweihundert Jahre lang.
Der Walfang ging Anfang des 20. Jahrhunderts zu Ende und damit auch die Zeit der einstmals 2700 Walfangschiffe. Aus Holz gebaut, hatten sie alle großen Kaps und Winkel der Ozeane auf der Suche nach Herden der großen Meeressäuger besegelt. Sie haben große Teile der Inselwelten kartiert, Expeditionen in die Arktis und Antarktis unternommen. Im Jahr 1921 war nur noch eines von ihnen übrig geblieben: die CHARLES W. MORGAN. Die Heimkehr von ihrer letzten Reise ist in einem Foto dokumentiert "Coming home". So sah sie einst aus - nach 80 Jahren unter Segeln, sieben Erdumsegelungen x-mal rund Kap Hoorn. Sie kam danach in Privatbesitz von Col. Green, wechselte an den Ort ihrer Entstehung, New Bedford. Auf seinem sehr großen Grundstück in Round Hill wurde sie in ein Sandbett gesetzt und Mittelpunkt eines Ortes aus historischen Gebäuden, die eigens dorthin geschaftt wurden, um das Schiff seiner historischen Umgebung zu zeigen. Dort war sie unter anderem Kulisse verschiedener Filme und Anziehungspunkt für tausende Besucher. Nach dem Tod des Colonels 1936 wurde sie Opfer eines verheerenden Brandes und eines Hurrikans, verfiel schließlich in ihrem Sandbett liegend. Im Jahr 1941 wurde sie vom Museum of America and the Sea übernommen und in den Hafen Mystic Seaport verbracht. Sie wurde dort viermal restauriert. Zumeist in ihrem sichtbaren Teil. Im Jahr 2008 entschloss man sich, die CHARLES W. MORGAN wieder segelfertig zu machen, im Originalzustand "Um junge Menschen, neuen Menschen und Interessenvertreter für unsere Herkunft zu begeistern" und zu zeigen "what we once where" sagte Steve. Das Projekt wurde in diesem Sommer mit einer Rundreise zu vier der ehemals großen Zentren der Walfänger an der Ostküste der Vereinigten Staaten abgeschlossen.
Vortrag und Filme konzentrierten sich auf die Restauration des Schiffes und die erste Reise. Nachdem sich frühere Instandsetzungen vorzugsweise auf den sichtbaren Teil über Wasser konzentrierten, sollte nun das Unterwasserschiff in den Originalzustand versetzt werden. Erstaunlich war, dass ein knappes Drittel des Holzes, das vor nun mehr als 170 Jahren verbaut wurde heute immer noch gesund ist. Aber das Projekt hätte daran scheitern können, dass kein "modernes" mehr in gleicher Qualität zu beschaffen wäre. Da kam ein glücklicher Umstand zu Hilfe. In der Baugrube für ein geplantes Hochhaus am Wasser wurde ein Schatz entdeckt, der einstmals als wertlos angesehen und deshalb achtlos verscharrt wurde: Der 200 Jahre alte Holzvorrat einer Schiffswerft vom Ende des 17. Jahrhunderts, Krummholz, Rund- und Kanthölzer, dazu Reservematerial für hölzerne Hafenanlagen an dieser Stelle. 42 Fuß lang, Kantmaß zwei Fuß. Dentrologische Untersuchungen ergaben: Das Holz stammt aus dem Nordosten des Bundesstaates Ohio. Das gesamte Holzt wurde privat gespendet, wie auch die gesamte Restauration ausschließlich von Privatfirmen oder Bürgern gespendet wurden. "Every single penny we had to earn or to beg for" sagte Steve mit Stolz.
Während des ersten Jahres wurde das Schiff sorgfältig dokumentiert. Die folgenden Arbeiten umfassten u.a. vier Bodenwrangen, zehn Knie, vier Rundhölzer (Masten, Stengen) Steven, den Spiegel, 170 Planken, 280 Rahmenstücke ("frame futtocks"), 70 innere Planken. Die gesamte Konstruktion wurde alt wie neu, von hölzernen Nägeln zusammengehalten. Viele alte konnten weiter verwendet werden.
Die "Ausrüstung für die erste Reise" umfasste zusätzlich das gesamte laufende und stehende Gut und alle Segel - alles aus den originalen Materialien, Leinen aus Hanf, das Segeltuch aus Schottland, wo es noch hergestellt wird. Schmiedearbeiten, Riggerarbeiten, ... Alleine für diesen Teil mussten neun bis zwölf Millionen US$ Spendengelder eingeworben werden. Auf Modernisierungen wurde komplett verzichtet, nur die Navigationselektronik und von der US Coast Guard vorgeschriebene Sicherheitstechnik wurden hinzugefügt.
Nach fünf Jahren war das Schiff fertig und konnte die erste Reise antreten. Die führte zu den großen Zentren des Walfangs an der Ostküste und zur Stellwagen Bank, einer Untiefe vor Boston, heute ein Zentrum für whalewatching. Hier kamen sich Buckelwale und ihr einstiger, jetzt friedlicher Jäger, ganz nahe.
Die Bilder und Videos von gestern Abend können wir hier nicht zeigen, aber eine Zusammenfassung in YOUTUBE
Es gibt eine große Zahl weiterer Beträge von Mystic Seaport über die CHARLES W. MORGAN. Sehr interessant ist die grafische Zusammenfassung des Logbuchs ihrer ersten Reise. Sie dauerte von 1841 bis 1845.
Beim Schreiben des Beitrags und der Recherche von zitatfähigen Quellen (nicht alles kann man während des Vortrags mitschreiben) fiel ein Video über die Geschichte der CHARLES W. MORGAN auf. Sie ist für jeden interessant, der sich fragt, warum gerade dieses Schiff übelebt hat. Wir wissen jetzt warum: "She is a lucky ship".
P.S. 14.11.14 Bericht über den Besuch von Steve White bei der Robbe & Berking Werft für Klassische Yachten
Dieses Tagebuch wird für Liebhaber und Freunde traditioneller Segelschiffe geschrieben. Es gibt ausschließlich persönliche Eindrücke und Gedanken wieder. Daher ist es unvollständig und subjektiv. Für Irrtümer bitte ich um Nachsicht. Vielleicht findet ihr Zeit, einen Kommentar an die Mailanschrift in "Impressum/Kontakt" zu schreiben. Dafür schon im voraus herzlichen Dank! Alle Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.
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