Historische Dokumente an historischem Ort vorgetragen: Kapelle des ehem. Franziskanerklosters zum Heiligen Geist Zeichnung: W. Kühn |
Um auf den Reeder Cramer zurückzukommen: Die Nachfrage nach Frachtschiffen führte zu steigenden Preisen für Schiffe und zu langen Lieferzeiten. Da passte es gut, dass die renommierte Werft des Schiffbauers J. Call in Flensburg eine Brigg geeigneter Größe auf Kiel gelegt hatte, für die er einen Käufer suchte. Sie sollte 106 Kommerzlasten tragen können. Gebaut werden sollte sie von dem Schiffbauer Knaggendreyer.
Um ein solches Projekt erfolgreich abzuwickeln, wurde ein zuverlässiger Mann vor Ort in Flensburg gesucht und in Christian Dethleffsen gefunden. Er sollte die Interessen des Auftraggebers vor Ort vertreten und für den zügigen und kostengünstige Bau des Schiffes sorgen. Das führte zu einer engen Korrespondenz zwischen dem Kaufmann und dem Reeder. Sie ist glücklicherweise bis heute erhalten, als Teil der Chronik der Familie Dethleffsen aus Flensburg.
In der Veranstaltung las Herr Hans A. Dethleffsen große Passagen daraus vor. Interessant war nicht nur die antiquierte Sprache (deutsch mit lateinischen und französichen Einsprengseln) der damaligen Zeit. Viel interessanter noch waren die vielen Winkelzüge und taktischen Manöver des Werftbesitzers, des Schiffbauers, aber auch des Auftraggebers. Da waren auf einmal nicht genügend Ziummerleute frei verfügbar um das Schiff fertigzustellen. Eine Katastrophe! Und das Schiff hätte zu einem höheren Preis an einen anderen Interessenten verkauft werden können! Aber es gab Gegenmittel um solche Drangsal abzuwehren, nämlich das "Douceur", was man mit "Annehmlichkeit" genau so übersetzen kann wie mit "Trinkgeld" oder ganz grob gesagt Schmiergeld. Und siehe da: Plötzlich hatte die Schar der Zimmerleute um ein Viertel zugenommen. Das selbe wiederholte sich beim Holz aus der Umgebung von Flensburg und den Eisenteilen aus Schweden. Gar so furchtbar viel anders als heute waren die Geschäftspraktiken damals wohl nicht. Auch heute noch sind kleine Annehmlichkeiten der Schmierfilm im Wirtschaftsgetriebe.
Schließlich wird das Schiff doch fertig. 13000 Reichstaler hat es gekostet. Zur selben Zeit kostete ein großes Geschäftshaus in Flensburg samt Lagerhäusern und Nebengebäuden 16000 Reichstaler. Man sieht auch hier: Die Verhältnisse sind immer noch sehr ähnlich.
Wo man gerade beim Thema Geld ist: Ein Obersteuermann auf Westindienfahrt bekommt 16 Reichstaler im Monat, der Untersteuermann elf, und der Bootsmann zehn.
Dann gibt es Streit wegen der Beiboote. Angeblich sind keine Boote aufzutreiben, in den die vertraglich vereinbarten drei Fässer transportiert werden können, sondern nur kleinere. Das hätte aber die Liegezeiten in den Kolonien verlängert und damit die Kosten in die Höhe getrieben. Vermutlich haben auch hier Annehmlichkeiten das Leben angenehmer gemacht.
Schließlich wird das Schiff fertig, mit Segeln und Leinen aus Flensburg und Umgebung. Es bekommt den Namen URANUS. Sechs Kanonen wurden zusätzlich an Bord genommen, als Schutz vor Piraten, die damals die Karibik unsicher machten. Es sticht am 28. Juli 1780 mit 2000 Fässern Ladung See. Die Reise geht über Kopenhagen. Aller Handel mit den Kolonien musste über die Hauptstadt abgewickelt werden, schließlich waren dafür auch Zölle und Gebühren fällig. Es ging weiter durch das Kattegatt, das Skagerak, die Nordsee, den Englischen Kanal nach Madeira. Hier wurde der Proviant ergänzt für die lange Passage nach St. Thomas. Insgesamt dauerte die Reise vier Monate.
Die Erzählungen rund um die Briefe gehen jedoch noch viel weiter.
Die Kapelle des ehemaligen Klosters zum Heiligen Geist passte als Vortragsort sehr gut zum Thema. Es ist schon seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesen. Die mit der Seefahrt beschäftigten Menschen waren sehr gläubig. Meist aus Überzeugung, auch konnte man nie wissen, ob Himmlischer Beistand von Nöten sein könnte. Denn viele Schiffe kamen von der langen Reise nicht zurück.
Bei diesem Beitrag ist es nicht ganz einfach dem Rat zu folgen, dass man alles schreiben kann, es sei denn, es wäre länger als eine Seite. Also soll es so sein und wir kommen zum Ende. Die Diskussion am Schluss des wirklich informativen und kurzweiligen Vortrags führte zu interessanten Fragen, und jede Antwort provozierte neue Fragen. Manche blieben ohne Antwort. Eine kann hier nachgereicht werden: Eine Kommerzlast - das ist ein zu dieser Zeit übliches Maß für Transportgüter - entsprach in Deutschland zweitausend Kilogramm, in Bremen dreitausend. Zumindest, wenn man WIKIPEDIA glaubt.
Wissenswert ist auch, dass auf der Museumswerft derzeit das Modell einer Schnaubrigg, FORENING, aus derselben Zeit im Maßstab 1:3,5 gebaut wird. Sie ist in ihrer äußeren Erscheinung der URANUS sehr ähnlich. Wobei es interessant ist, dass die Schiffe aus Dänemark für den Handel mit Westindien zumeist auf ein und denselben Bauplan zurückgehen. Serienbau also auch damals schon. Hier ein paar aktuelle Bilder über das Modell der FORENING. Wie man sieht, werden die Bauteile immer kleiner. Schneller geht der Bau dadurch jedoch nicht voran.
Auf dem Vorschiff sthet bereits der Glockenstuhl und das große "Brat"-Spill für das Ankertau |
Jetzt wir das Galion angepasst, ein häufiger Schmuck für den Bug der Schiffe in jener Zeit - und häufig auch Toilette für die Seeleute. |