07.05.16 Rumregatta Nr. 37

"Wer zählt die Schiffe, nennt die Namen, die segelnd hier zusammenkamen", wäre dem alten Jh. Chr. Fr. v. Schiller aus dem Gänskiel geflossen, hätte er diese Bilder gesehen. Kaum ist der Startschuss verklungen, rauschen die Schoner und Ewer, Galeassen und Kutter, Smakken und Jagten, Ketschen und Tjalken mit vollen Segeln in Richtung Ochseninseln. Vorneweg und hoch am Wind die üblichen Verdächtigen, dazwischen die großen Frachtsegler und die zahlreichen dänischen Fischerboote.

ACTIV aus London braucht ein bisschen länger um Fahrt aufzunehmen als die wesentlich kleinere Konkurrenz. Aber ist sie erst "auf der Kreuz" einmal in Fahrt gekommen, müssen sich auch schnelle Segler ordentlich ranmachen, um Schritt zu halten. Es ist schon beeindruckend die Manöver des Dreimast-Toppseglers zu beobachten. Auf dem Großsegler werden alle Schoten und Brassen von Hand geholt. Da fragt man sich schon mal, wozu manche wesentlich kleinere Traditionssegler moderne Schotwinschen benötigen, um ihre im Vergleich winzigen Segel dicht zu holen.  Aber um solche Standards geht es auf der Traditionsregatta nicht. Wer einen Rah- oder Gaffelsegler sein eigen nennt, kann hier mitmachen und sein Können beweisen. "Unernste Geschwaderfahrt", so der inoffizielle Name des größten Traditionsseglertreffs in Nordeuropa, ist gleichzeitig auch Programm. Wer hier bierenst segelt, um den den ersten Platz zu ergattern, wird bei der Siegerehrung öffentlich verulkt und bekommt irgendwelchen Nonsense als Auszeichnung überreicht. Der wahre Gewinner geht als Zweiter über die Ziellinie. Seine Zurückhaltung wird durch eine Flasche mit drei Litern Rum von Flensburgs ältestem Rumhaus belohnt. Aber bis dahin sind noch ein paar Meilen Wasser zu pflügen.
Jetzt sind erst mal die Ochseninseln erreicht, wo die meisten nach eine Wende  einen Holeschlag in Richtung Ostufer der Förde einlegen. Nomen est omen: Glücklich, wer dabei schon Glücksburg erreicht, weniger zufrieden, wer in der Meierwik landet. Denn der Wind weht zwar für Gerechte und Ungerecht gleich (Zitat: aus Sturmfahrt nach Alaska mit dem unübertroffenen Gregory Peck), aber er weht nicht immer in dieselbe Richtung und in der gleichen Stärke. Ortskundige nutzen den Effekt, dass Krümmungen der Uferlinie und geringe Unterschiede der hügeligen Ufer den Wind verändern. Und so mischen sich Segeleigenschaften der Boote und Schiffe sowohl mit der Erfahrung der Segler als auch mit anderen, zufälligen Faktoren. Das macht Segeln spannend wie das wirkliche Leben. Bald hat sich das Feld weit auseinander gezogen. Während die Schnellsten schon kurz vor der Wendetonne sind, messen sich andere noch auf dem Weg dorthin mit selbst gewählten Wettbewerbern. Dabei nutzen sie alle Möglichkeiten, die ihnen Aerodynamik und Vorfahrtsregeln bieten.

Elbfischer GRETA mit der Nachwuchscrew des Museumshafens segelt heute ihre erste Rumregatta. Und sie segelt flott! Dabei  sind erst fünf Tage vergangen, seit Mast gestellt wurde.  Nach diesem Debüt können wir sicherlich noch einiges von den Männern und Frauen des Fördervereins erwarten.  

Am Ende kommen alle Teilnehmer heil über die Ziellinie. Wir auf WIEBKE BOHLEN sind außer
Konkurrenz, umfahren die Line und segeln in den Hafen. Andere, Schnellere waren schon lange vor uns da und machen sich einen Spaß daraus, wieder zurück zu segeln und die Linie ein zweites mal zu queren.
Bald bilden ich im Hafen wieder die "Päckchen". Wir haben es gut getroffen und finden angenehme, ruhige Nachbarlieger. Sie sitzen an Deck, essen Mutzenmandeln aus der Tüte und laden uns ein zuzugreifen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Bald unterhalten wir uns über "dütt un datt", sitzen im Sonnenlicht und lassen uns den lauen Wind um die Nase wehen. Bis zum Weckruf "gleich ist Preisverschleuderung!" Jetzt nichts wie weg, denn wer zu spät kommt ...

P.S. Wir haben noch mehr Bilder, die kommen in den nächsten Posts.