04.08.16 Besuch auf ALEXANDRA

Der Museumshafen entleert sich Schiff um Schiff, das Wetter ist mau, da kommt eine Einladung auf ALEXANDRA gerade zur rechten Zeit. Vorgestern wurde uns die Geschichte und das Innenleben des Salondampfers von ihrem Chefkapitän und vom Chefingenieur sachkundig vorgestellt.
Ersterer konzentrierte sich auf die Geschichte des Schiffes und die aktuelle Situation (ALEXANDRA schwimmt seit 108 Jahren, der Rumpf ist erstmal repariert, sie geht im Oktober 2016 nochmal auf die Werft und bekommt einen neuen Kessel). Der Ingenieur konzentrierte sich naturgemäß auf den Bereich Technik als da sind Pumpen, Generatoren, Dampfmaschine und Kessel).
Blick zurück zum Tageslicht
Dazu wurden wir in den Maschinenraum eingeladen. Wir dürfen also durch die Türe gehen, an der wir als normale Gäste vorbeigehen müssen.

Abwärts geht es in den Maschinenraum. Links die Kesselöffnungen, rechts die Zweizylinder Verbunddampfmschine. Beide noch original aus dem Jahr 1908. Der Stahl der Pleuel und Kurbeln, das Messing der Öler und die Kupferleitungen, die sich um die Maschine, auf dem Boden und an den Wänden ringeln, glänzen matt im Licht der spärlichen Elektrolampen. Um uns in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg einzustimmen, wurden nur die Leuchten eingeschaltet, die den Maschinenraum schon damals "erhellten". Den Generator von damals gibt es heute nicht mehr an Bord. Er lieferte 110 Volt Bordspannung. Der Neue an seiner Stelle liefert zeitgemäße 230 Volt.
Hier kommt die Kohle hinein...
Die Feuer unter dem Kessel waren schon seit einem Tag aus. Dennoch herrschte in der Schiffsmitte, unter dem Wasserspiegel eine durchaus tropisch anmutende Temperatur. Wie heiß ist es hier erst einmal, wenn die Kesselfeuer brennen und die Heizer 150 kg Kohle pro Stunde schaufeln, um den Dampf für die Zweizylinder-Verbundmaschine zu erzeugen?
Dann strömen die heißen Rauchgase durch die Kesselrohre und bringen das Wasser zum Sieden, bis der Zeiger im Manometer zitternd die zwölf, die Betriebsdrucksmarke, erreicht hat. Jetzt kann die Fahrt beginnen. Klingelt der Maschinentelegraf. "Langsam zurück", bestätigt der Maschinist mit einem eigenen Signalhebel: "Langsam zurück", öffnet das Regelventil bis die Anzeige den gewünschten Füllungsgrad zeigt. Jetzt schiebt er auch den Steuerungshebel auf "Zurück".
...und hier kommen die Befehle an
Nun strömt der Dampf in den Zylinder, füllt den Raum, der Druck steigt. Zuerst langsam, dann immer schneller bewegt sich der Kolben. Mit ihm gleitet der Kreuzkopf in seiner Führung auf und ab, überträgt den Druck auf den Pleuel. Der dreht die Kurbelwelle und mit ihr die Schiffsschraube unterm Heck. Sie schiebt das Wasser nach vorne und zieht die viele Tonnen wiegende Masse Stahl, Kohle, Wasser, Holz, Proviant und dazu noch das Gewicht der Passagiere und Besatzung vom Liegeplatz weg in den Hafen. Fährt ALEXANDRA in die Geltinger Bucht, wird sie erst in sechs Stunden zurück sein. Während der Fahrt muss der Maschinist die Drehzahl stets von Hand regulieren. Eine automatische Regelung gibt es hier nicht. Es ist nicht die einzige Besonderheit, die ALEXANDRAs Herz von einer Spielzeugdampfmaschine unterscheidet: Der Dampf wird kondensiert, wenn er seine Kraft an die Kolben abgeliefert hat und dann wieder in den Kreislauf "eingespeist", wie wir erfahren. Sonst würden die 15 Tonnen Kesselwasser nicht ausreichen, die als Reserve mitgeführt werden. Wer technisch interessiert ist, könnte ewig zuhören. Das ist uns leider nicht vergönnt. Wir müssen weiter, der Kapitän wartet; er möchte uns seinen Arbeitsplatz zeigen. Also erstmal herzlichen Dank an den Ingenieur!
Der "Schalthebel" der Maschine
Eine letzte Frage, bevor wir die eiserne Leiter wieder hochklettern: "Wer wienert denn eigentlich die vielen Kupferrohre?" Nach der Antwort wissen wir, dass die Aktiven des Vereins ALEXANDRA nur deshalb auf dem Dampfer fahren weil sie dort nach Herzenslust Rohre polieren dürfen. 

Zu Beginn unseres Besuchs hatten wir erfahren, wie eng der Salondampfer ALEXANDRA mit der Lokalgeschichte verbunden ist. Sie war der erste Fördedampfer, der ausschließlich für die Personenbeförderung entworfen und eingesetzt wurde. Seine Vorläufer in der Förde-Dampfschiffahrt  waren durchweg kombinierte Fracht- und Passagierschiffe: In der Saison Passagiere, außerhalb der Saison Vieh und was sonst noch transportiert werden musste. Begünstigt wurde der Aufstieg der Fördeschiffahrt durch den Sieg der Preußen über Dänemark. Die dänische Grenze verlief danach weit im Norden bei Apenrade und die Verkehrswege
Mit dem Rad wird die
Geschwindigkeit reguliert
an Land waren nur wenig entwickelt. Und genau so endete diese goldene Zeit der Fördedampfer nach dem ersten Weltkrieg, als die dänische Grenze wieder nach Süden rückte.
Die Namensgeberin stammte aus derselben Zeit, als die einflußreichen Fürstenhäuser Europas Familienpolitik als Mittel der Machtpolitik einsetzten. Die Schwiegertochter von Kaiser Wilhelm II war Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Ihr Titel mag uns heute sehr antiquiert erscheinen. Ihr Leben war auch nach heutigen Vorstellungen ihrer Zeit voraus.
Durchaus zeitgemäß, war die Schiffsführung von ALEXANDRA, dem Salondampfer. Wie heute noch auf großen Schiffen verläuft die Kommunikation zwischen Kapitän und Maschinenraum einerseits und Steuerung andererseits anders als auf kleineren Schiffen oder gar Sportbooten. Während der Skipper heute seine Entscheidungen direkt mit Ruderpinne- oder Radruder und Schalthebel in die Tat
Die Dampfmaschine von
vorne gesehen. Der
Hochdruckzylinder ist
oben.
umsetzt, läuft das auf ALEXANDRA eher indirekt. Vom Maschinentelegrafen hatten wir es schon. Ähnlich verläuft heute noch die Kommunikation mit dem Rudergänger. Der Kapitän gibt an, der Rudergänger bestätigt, führt aus und meldet Vollzug. "Ruder 20 Grad Steuerbord" sagt der Kapitän, der Rudergänger wiederholt den Befehl, dreht das Ruder bis der Anzeiger auf die "Zwanzig" weist und meldet "Steuerbord zwanzig Grad liegt an". Das klingt etwas umständlich, ist aber notwendig. Denn das Ruder braucht viel Kraft und Konzentration. Wer es einfach mal auf Mittelstellung zurücklaufen lässt, riskiert schnell einen Knochenbruch, wenn nicht Schlimmeres. 

Wer jetzt ALEXANDRA besucht, sollte einen Blick in das Vorschiff werfen. Denn gegenwärtig ist dort die gesamte Konstruktion des Rumpfes offen sichtbar. Die weitgehend noch original genieteten Bordplanken, Knotenbleche, Spanten, Stringer, das Kielschwein und die Bodenwrangen. Alles was den Rumpf zusammen- und das Wasser draußen hält, ist zu sehen. Selbst Besucher, die sich nie mit Schiffsbau befasst haben, können erkennen, wie die Konstrukteure die starken Kräfte aufgefangen und in die tragenden Elemente zurückgeführt haben. Viele Bleche, Knoten und Spanten sind heute noch vernietet. Reparaturen werden jedoch geschweißt. Wer kann heute noch fachgerecht nieten? 
Der Schiffsrumpf war durch den Rost der vielen Jahrzehnte im Leben des Museumsdampfers arg geschwächt. Die kritischsten waren unter dem früher eingebrachten Beton im Schiffsborden verborgen und wurden jetzt bei der "Beschallung" entdeckt. So wird das Messverfahren genannt, mit dem festgestellt wird, wie dick die Schiffsplanken sind. Jetzt muss noch die gesamte Schiffshaut innen entrostet werden, dann der Stahl konserviert und sorgfältig gemalt werden. Schließlich wird die gesamte Inneneinrichtung im Vorschiff wieder eingebaut, wobei Teile rekonstruiert werden müssen, soweit sie bei früheren Umbauten entfernt oder zerstört wurden. Ist sie erst einmal eingebaut, muss der Rostschutz zuverlässig wirken. 
Ab Herbst wird der Kessel getauscht. Deswegen wird ab der Rückseite des Steuerhauses eine große
Das Ruder wird mit viel Muskelkraft
über Zahnräder und eine Kette
bewegt.
Um die Ruderlage zu erkennen,
muss man sich bücken.
Foto: www.dampfer-alexandra.de
Öffnung in den Aufbau geschnitten. Dafür müssen alle Einbauten demontiert, katalogisiert gelagert und aufgearbeitet werden. Ist der Kessel wieder eingebaut, sollen auch die Einbauten wieder an ihren jeweiligen Platz montiert werden. Ein besonderes Thema sind elektrische Leitungen. Im Lauf der Zeit wurde das ursprünglich sehr sparsame Bordnetz immer wieder erweitert und modifiziert. Da kam die Dokumentation manchmal ins Hintertreffen. Mit dem Ergebnis, dass Leitungen Strom führen, deren Existenz unbekannt und deren Zweck ein großes Rätsel ist. Ein anderes Rätsel wird sich klären, wenn der Kessel ausgebaut ist: Die Schiffshaut unter dem Dampferzeuger wird dann zum ersten Mal seit 108 Jahren zu sehen sein. Die Freunde der ALEXANDRA hoffen, dass sie dann keine böse Überraschung erwartet.
Was gibt es sonst noch zu berichten?
Das Flensburger Tageblatt von heute veröffentlicht einen aktuellen Bericht über den Bau des neuen Kessels. Und die Internetseite der ALEXANDRA hat jetzt eine neue Rubrik mit dem Namen "News". Darin sind weitere Fotos von dem werdenden Kessel zu sehen. Die hat unser Nachbar Kevin Laske gemacht. Hier sind sie:


Fotos (4): Kevin Laske