10.02.17 Eiskalte Arbeiter

Kein Boot auf der Förde, der eisige Ostwind weht unter grauen Wolken mit vier bis fünf bft, in Böen sechs und treibt gischtende Wellen auf die Uferbefestigung von Sønderhav. Heute stehen keine Fans der beliebten Pølser an der Verkaufsbude an. Mit wenigen Worten: Der Winter ist auch hier angekommen.
Wir sind auf dem Weg nach Norden, um ein paar Bilder und Geschichten von der Werft in Egernsund zu sammeln. Wenn schon am Bohlwerk nichts los ist, entdecken wir vielleicht dort etwas Berichtenswertes.
Das letzte Fischereischutzboot von Colin Archer wartet auf seine
Wiedergeburt.Typisch für die (meisten) Arbeitsschiffe von Colin
Archer ist das "Spitzgatt" mit angehängtem Ruderblatt.
Im Nybøl Nor treibt der starke Ostwind kräftige Wellen in den Sund bei Gråsten. Dort liegt der leere Rumpf von RAKEL liegt immer noch am selben Platz. Das Lecksegel, eine blaue Plastikplane, hält sie immer noch über Wasser. Es ist ein Bild des Jammers, den ehemals überaus seetüchtigen Segler in diesem Zustand zu sehen! Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Einige große und kleine historische Arbeitssegler haben dasselbe Schicksal durchlitten und fanden schließlich neue Eigner, die mit Verstand (und den notwendigen Mitteln) alten Booten zu jungem Glanz verhalfen. Gerade hier, im äußersten Süden Dänemarks, haben wir in dieser Hinsicht schon einige Wunder erlebt.
Der Wind treibt kleine Schneewirbel über den Anleger, es ist zu kalt, um länger auf das verlassene Schiff zu sehen.
ETHEL von BRIXHAM am Werftschlängel.Charakteristisch für
den Trawler ist das breite Spiegelheck


Von weitem schon erkennen wir bei der Werft hohe Masten. Die höchsten gehören zu ETHEL von BRIXHAM, einem historischen Trawler, 1890 in Brixham an der englischen Kanalküste gebaut. An ihrem Rigg ist sie nicht ohne weiteres als Trawler, also Schleppnetzfischer zu erkennen. Diese Hochseefischer waren früher meist als Ketsch geriggt. Mit ihrem steilen Vorsteven und dem langen freien Deck mit geringem Sprung waren sie Vorlage für eine ganze Ära von schnellen Fischereiseglern für die Hochsee. Ihr ehemaliges Fanggebiet war der Atlantik zwischen Grönland und der Biskaya.
Obwohl RAKEL (mit Spitzgatt) und ETHEL (mit Spiegelheck) beide für einen vergleichbare Zwecke, Einsatzgebiete, in etwa der selben Zeit und aus
Haikutter BODIL im Sommer unter dem Historischen Krahn
auf dem Bohlwerk in Flensburg. Das "elliptische" Heck kenn-

zeichnet die meisten Haikutter (deutsch) und Snurrewads-
Kutter (dänisch).
Holz gebaut wurden, unterscheiden sich ihre Rumpfformen ganz erheblich.
Ein paar Meter entfernt wartet der Haikutter BODIL aus dem Museumshafen Flensburg auf eine Reparatur. BODIL ist erheblich jünger, sie wurde 1924 in Skagen gebaut. Haikutter wurden jedoch im Unterschied zu den beiden zuvor genannten hauptsächlich in Nord- und Ostsee eingesetzt.
Auch ihr Rumpf ist charakteristisch für den Schiffstyp. Er schließt zumeist mit einem elliptischen Heck ab. Wer sich für diesen Schiffstyp interessiert, sollte einen Besuch beim Fischerei- und Seefahrtsmuseum in Esbjerg einplanen. Dort gibt es ein umfassendes Haikutter-Archiv.
Bis zum welchen Grad den unterschiedlichen Rumpfformen sachliche oder
Der Havarist mit seinem neuen Vorsteven. Als Nächstes werden
die Planken ersetzt. Die meisten sind entfernt worden, andere
stützen vorläufig noch die Spanten.

regionale/modische Überlegungen zugrunde liegen, wissen wir derzeit nicht, werden wir aber auch noch herausfinden - nehmen wir uns vor.

Auf der "Intensivstation" der Werft wird gerade einem der hölzernen dänischen Fischkutter ein neuer Bug angesetzt. Das Schiff wurde beim Fische putzen von einem großen Frachter (200 Meter lang) in voller Fahrt gerammt. Dabei sprang der Vorsteven aus den Planken von denen einige brachen. Die Fischer wurden über Bord geschleudert, überlebten aber die Katastrophe wie durch ein Wunder. Man mag es nicht glauben, aber der Kutter bieb schwimmfähig, ein Kollosionsschott im Bug und Pumpen hielten ihn über Wasser. 

Uns fröstelt, das liegt nicht nur an dem eisigen Wind. Man mag sich nicht vorstellen, was alles hätte passieren können. Also: Unterwegs Augen auf und rechtzeitig ausweichen!  

Während wir uns noch die Hände warmreiben fällt uns ein, was ein Bootsbauer aus Greifswald einmal erzählte. Er arbeitete bei eisigem Wetter, dazu noch bei Schneeregen, im Freien an einem alten Boot, als Besucher kamen um sich umzusehen. Sie wollten etwas Nettes sagen und begannen: "Sie haben es eigentlich schön, jeden Tag an der frischen Luft arbeiten zu können!"