23.08.18 Blauer Himmel, Blaue Jungs

Wie angekündigt, wehte der Wind gestern aus Südwest. Und weil er gegen Nachmittag auf West drehen sollte, als "Damenbriese" bei moderaten drei Beaufort, zog es uns wieder auf die Förde. Zumal bei der passablen Sommertemperatur von 20 Grad. Dazu ein leicht bewölkter Himmel! Er passt einfach besser zu unserer dänisch-deutschen Region. Und dieses Licht! Obwohl erst Ende August, scheint die Sonne wie durch hauchdünne Gaze und gibt dem bewaldeten Steilufer eine schon fast herbstlich-wehmütigen Stimmung. Nur noch wenige Tage und buntes Laub wird die Farbskala bestimmen.
Angekündigt waren auch Böen um sechs, die schrecken uns nicht ab. So entscheiden wir uns für "Vollzeug" und verlassen den Hafen wo der Wind noch schwach aus Süd weht. Südwest in der Flensburger Förde bedeutet seewärts vor dem Wind zu segeln. Da wäre es doch praktisch, einen Spinnacker im Arsenal zu haben. Ein Spinnacker oder auch ein Gennacker ist doch einfach ideal für Vormwindkurse. Wir haben weder noch. Zwar sieht man immer mehr dass traditionelle Arbeitsboote die bei den Segeln Anleihen aus der Regattaszene machen. Aber die großen Vorsegel stehen bei diesen Booten einfach nicht wirklich gut. Wahrscheinlich müsste auch das Großsegel halb gerefft gesetzt werden, damit die große Blase vorne genügend Wind abbekommt. Bei gerefftem Groß entfällt dann auch noch das Toppsegel für den Antrieb. Da kann man die teuren Yachtsegel auch gleich beim Segelmacher lassen. Also nix für traditionelle Gaffelsegler, zumal diese Segel dazu noch einen peinlichen Stilbruch bedeuten.
Dieses Stilempfinden bezahlen wir regelmäßig damit, dass wir vor dem Wind kreuzen. Tatsächlich kommen wir damit schneller zum Ziel, obwohl der Weg erheblich länger ist und die Halsen auch ein bisschen Zeit benötigen. Der wichtigste Grund ist für uns, dass wir entspannter segeln können als platt vor dem Wind. Mit Wind von schräg achtern haben wir das Boot jederzeit gut unter Kontrolle, anders als insbesondere beim "Schmetterling" segeln. Zwar neigt die Fock wegen mangelnder Beschäftigung zu lustlosem Herumflattern. Stellen wir sie aber mittschiffs, ist sie ruhig und hilft sogar noch ein bisschen mit.
Gestern zahlte sich unsere Segelführung zusätzlich aus. Die angekündigten Böen kamen plötzlich und hielten nicht lange durch. Bevor sie in spürbaren Flautenlöchern versickerten, machten sie noch einen neckischen Dreher, als wollte der Wind schon mal den für den Abend angekündigten Schwenk nach rechts trainieren. Kein Wunder also, dass auch die modernen Jachten auf der Förde, die mit Kurs Nord unterwegs waren, ohne Spinn- oder sonstigem -acker segelten.


Für Kurzweil war also gesorgt und irgendwann hatten wir auch Holnis Enge in einem unserem Alter angepasst würdigem Tempo erreicht. Da wachte der Wind endlich auf und Entschied sich, endgültig aus West zu wehen. Schon setzten auch Jachten mit Kurs auf Flensburg, eben noch unter Maschinenfahrt unterwegs Segel und rauschten mit schäumender Bugwelle los. Und wir hinterher. Mit vollen Vorsegeln. und dicht geschoteten Bäumen. Hoch am Wind kann der Besan nahezu mittschiffs geschotet werden. Das entlastet den Rudergänger und reduziert den Strömungswiderstand im Wasser. Gut getrimmt, läuft die Ketsch ohne eine Hand an der Pinne maximale Höhe. Leider bleibt der Wind unstet und böig. Richtungsänderungen folgt das Boot geduldig. Aber schnelle Dreher werden mit einem Griff an die Pinne schneller ausgesegelt. Wechsel zwischen schnell einsetzenden Böen und Flautenlöchern können die Nerven ein wenig strapazieren. Wenn leichtere Jachten "Sonnenschüsse" fahren, legt sich unser schweres Boot erst einmal über bevor es Fahrt aufnimmt. Im Ergebnis sind wir dann nicht einmal viel langsamer. Aber tatsächlich, erreicht eine schwere Gaffelketsch nicht die Höhe am Wind wie eine ebenfalls gut gesegelte moderne Slup. Bei grober See und stürmischem Wind sähe der Vergleich schon anders aus.
Vor der Marineschule in Mürwik segeln drei Marinekutter aus ihrem Hafen. Die Segel stehen prachtvoll und sie machen gute Fahrt. Entsprechend gut ist die Stimmung an Bord der marine-grauen Boote. "Nimm zuerst ein kleines Boot" Das Buch haben wir vor Jahren gelesen, nun fällt der Titel wieder ein. Passt auch auf unsere "Blauen Jungs", zumal das große "Boot" immer noch auf der Werft ist. Da wird traditionelle Seemannschaft aufs Wesentliche reduziert.
In der Hafeneinfahrt kommt uns ein Traditionssegler entgegen. Auch hier gute Laune an an Deck. Noch fünf Schläge gegen den schwachen Wind, er weht im Hafen aus Südwest, und wir können die Segel bergen. Das Bohlwerk hat uns wieder.