31.03.14 Mystic shipyard

Graue Nebel wallen. Mit dem Zwischenhoch über Mitteleuropa liegt über dem Norden Schleswig.Holsteins eine zähe Nebeldecke. Sie löst sich meist erst nachmittags auf - wenn überhaupt. Das sind schlechte Bedingungen, um Farbe auszubessern. Überhaupt ist es morgens ungemütlich feucht und kalt. Ideale Voraussetzungen für ein kleines Landprogramm. Wir wollen sehen, was aus RAKEL geworden ist, seit dem letzten Besuch vor drei Wochen in Egernsund. 
Von der Förde ist auf der Fahrt nach Egernsund nichts zu sehen. Je weiter wir fahren, umso dichter wird der Nebel.  

AURORA von ALTONA (li.) neben LINA
Als wir ankommen, ist RAKEL nicht mehr auf der Helling. Sollte das Schiff nicht erst in ein paar Monaten fertiggestellt sein? Der Werftplatz wirkt im Nebel wie verwunschen, was den Titel nahelegt. (Ähnlichkeit mit dem bekannten Ort Mystic Seaport in Connecticut ist nicht beabsichtigt, denn während dort - ähnlich der Museumswerft in Flensburg - historische Gewerke aus der Zeit des 19. Jhds. nachgestellt werden, wird auf der Werft von Chr. Johnson produktiv gearbeitet).
Der "Haischoner"¹) LINA liegt auf dem Slipwagen. Fertig gemalt, wie sie ist, könnte sie eigentlich zu Wasser gelassen werden. Der alte Rumpf zeigt das typische Bild eines traditionellen Holzschiffes, das lange Zeit instand gehalten wurde: neue Planken neben alten. Sie sind leicht zu unter
scheiden: Die Neuen sind nicht nur glatter, sondern auch dicker, ragen aus der Oberfläche zentimeterweit hervor. Wie sollte das auch anders sein? Holzplanken schrumpfen mit der Zeit und die regelmäßigen Wartungsarbeiten, bei denen die Oberfläche geschliffen wird, lassen sie im Lauf der Jahre immer dünner werden. Obgleich "dünn" nicht absolut verstanden werden darf. Neue Planken für Schiffe dieser Art und Größe sind ca. acht Zentimeter dick und bieten somit genügend Reserve. Interessant ist auch ein Blick auf den Kiel: Durch die Änderung des Segelplans von einer Ketsch (LINA ist ein ehemaliger Haikutter) in einen Schoner, wanderte der Segel-Druckpunkt nach achtern. Deswegen wurde der Kiel zum Heck hin durch einen so genannten "Loskiel" ergänzt. Nun hat das Schiff achtern den größten Tiefgang und lässt sich ausgewogen trimmen. 
Neben LINA liegt AURORA von ALTONA auf ihrem Slipwagen. Mittlerweile wurde ein Großteil der Kupferplatten am Rumpf entfernt. Ein verborgenes Leck soll gefunden werden.


Am Steg liegt immer noch STORE BJØRN. Die Schanz wir erneuert.  Am Heck ragen schon die neuen Schanzstützen empor. Als ehemaliges Feuerschiff ist der Dreimast-Schoner sehr stabil gebaut. Ein Wunder, dass es heute noch geeignetes Eichenholz in diesen Dimensionen gibt. Aber, so ist zu hören, gutes Holz für den Schiffbau sei immer schwieriger zu beschaffen. An Land liegen die alten Bauteile des Schandeckels, jetzt werden sie noch als Modell für die neuen Teile gebraucht.
Längsseits außen an STORE BJØRN ist DAGMAR AAEN zu sehen. Sie soll demnächst auf die Helling für ihre turnusmäßige Inspektion.



In der Werfthalle gehen die Arbeiten an ELISABETH af DRAGØR weiter voran. Der Rumpf ist mittlerweile wieder geschlossen. Nun werden die Decksbalken erneuert und ein neues Deck gelegt. Bei dem Besuch heute werden gerade die Lukensülls angepasst. Das Schiff diente während der deutschen Besetzung Dänemarks im Zweiten Weltkrieg verfolgten Juden als Fluchtfahrzeug. Siebzig konnten damals über den Øresund ins sichere Schweden fliehen. Jetzt gehört ELISABETH dem Museum in Dragør

Von irischen Mönchen aus dem 6. Jhd gelernt: RAKEL im Stil eines Curragh
Schließlich haben wir auch RAKEL gefunden. Sie wurde kurzzeitig umgebettet. Ihr Platz auf der Helling wird für ein anderes Schiff benötigt. Also hat man den noch unfertigen Rumpf des alten Seglers von Colin Archer kurzerhand mit dicken Folien überzogen und zu Wasser gelassen. Der Rumpf ist dicht, ist zu erfahren.

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 ¹) Der Ausdruck entstand im Verlaufe einer kontroversen Diskussion über die Frage, ob es zulässig sei, einem Haikutter das Rigg eines Schoners zu verpassen.