31.07.13 Durchgepustet

Mittags kam eine Wetterfront und mit ihr ein Wolkenbruch. Der Himmel dunkelgrau, die Sicht unter 100 Meter. Kräftige Böen krängen die Schiffe im Museumshafen. Das ist bei Westwind selten, der Hang und die hohen Häuser an der Schiffbrücke geben guten Schutz. Hinter der Front kommt ein prächtiges Rückseitenwetter mit gleißendem Licht, unterbrochen vom Schatten schnell ziehender Wolken.
Heute wollen wir wieder einmal richtig segeln mit frischem Wind und stürmischen Böen. Dafür wurde unser Schiff gebaut. Segeln bei Schwachwind ist auch möglich, dann mit großen Beisegeln. Heute ist Bescheidenheit gefordert. Denn wenn es im Hafen nur mäßig bläst, draußen in der Förde, ohne Schutz der Hänge und Häuser sind es sicherlich zwei bis drei Windstärken mehr. Wir werden Kurs Nord Backstagwind haben und zurück kreuzen und rechnen mit frischem bis stürmischem Wind. Die Rechnung sollte aufgehen. Unter Fock und Groß ist das Schiff auch für zwei alte Leute gut zu handhaben. Selbst ohne Winschen und Rollsegel. Noch im Hafen setzten wir die beiden Segel. Sie haben zusammen ca. 54 m² und sollen unsere 20 Tonnen Gewicht durch das Wasser der Förde schieben. Das ist wenig? Uns reicht es heute. Früher haben wir bei solchem Wetter noch den Klüver und den Besan dazugenommen, dafür aber ein Reff ins Groß. Bei den niedrigen Wellen in der Förde reichte das immer für maximalen Vorschub. 


Kaum sind wir aus der Abdeckung der großen Werfthalle heraus, packt uns der Wind. Je weiter wir kommen, um so stärker sind die Böen. Bald reißen die Wellenkämme mit einem Schauer von Wassertropfen ab. Bei dem Backstagskurs sind wir bald bei den Ochseninseln. Da wir auf Steuerbordbug laufen, müssen wir ein paar anderen Seglern ausweichen, darunter auch mR-Jachten. Es sind 6-er und 5.5-er, die sich auf die Regatten vorbereiten, die am Samstag im Rahmen der Robbe&Berking Classics stattfinden werden. Auch ANITA ist dabei, die 12 mR Ketsch. Als wir abfallen, um hinter ihr zu passieren, wird sie langsamer, weil sie vor uns ihr Großsegel wegnimmt. Hinter ihr luven wir wieder stark an und schrammen damit an einer ungeplanten Halse vorbei.
WIEBKE BOHLEN
(Foto: Thomas Kähler)
Immerhin kommen wir dieser überwältigend schönen Jacht sehr nahe und können ein paar Fotos machen. Später kommt sie hinter uns auf und überholt uns nach einer Weile. Mit unserem Schiff und unseren Kräften verzichtet man in einer solchen Situation besser auf jeden Ehrgeiz. So haben wir  einen schönen Tag und können ebenso schöne Bilder mit nach Hause nehmen. Bald sind wir nahe der Stranderød Bugt und wollen zurück um abends wieder zu Hause zu sein. 
Bei diesen Windverhältnissen ist die Halse unser Manöver der Wahl. Wir nehmen das Großsegel so dicht wie möglich, um das Schiff zu schonen. Dann fallen wir ab. Der Ruderdruck ist sehr stark, als wollte sie uns mal so richtig fordern. Aber dann gibt sie doch nach, mit einer Talje auf der Pinne waren wir immer noch stärker als das luvende Schiff. Schon läßt der Zug der Fockschot nach. Wir werfen sie los. Damit die Leine zügig ablaufen kann, liegen schon ein paar Buchten auf dem Seitendeck bereit. Jetzt die Schot auf der neuen Leeseite vollständig dicht setzen. Später werden wir ihr einen Schrick Lose geben, wenn nötig. Dann kommt das Großsegel 
mit einem kräftigen Ruck über und WIEBKE BOHLEN geht auf die Kreuz. Während wir vorher um sieben Knoten Fahrt machten, werden wir nun langsamer und machen mehr Lage. Dafür haben wir jetzt Vorfahrt bis in den Hafen hinein.
Wieder bei den Ochseninseln sehen wir weit hinter uns die Silhouette eines Rahseglers. Das kann nur GORCH FOCK sein, die gegen Abend vor der Marineschule erwartet wird. Schade, dass wir keinen Nordwestwind haben, dann wäre sie vielleicht sogar in der Förde gesegelt. Aber nun lässt sie sich von ihrem Dieselmotor schieben.
Bald sind wir an der Hafeneinfahrt. Im Hafen ist der Wind launisch und bläst bei jedem Silo aus einer anderen Richtung. Aber wir tricksen ihn aus, oder wir haben einfach Glück. Jedenfalls segeln wir bis zur Gastseglerpier. Hier fallen die Segel. WIr sind wieder zurück. Etwas euphorisiert und sehr gut durchgepustet. Es war ein schöner Ausflug heute.